Full text: Volksvergiftung 1914-1918.

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gend, den Streik durchzuhalten, einen Teil der älteren Arbeiter auf 
ihre Seite zu ziehen und zum Schluß tatsächlich zu erreichen, daß der 
Erlaß vom Generalkommando am 5. Mai 1916 zurückgezogen wurde. 
(Faksimile 7.) Es ist dies, wenn auch zunächst aus lokalen Gründen 
bedingt, der erste politische organisierte Streik in Deutsch- 
land. An ihm sind vor allem zwei Dinge hervorzuheben. Erstens die 
Tatsache, daß die revolutionäre Jugend den Kampf eröffnete, wo- 
durch der ganzen Bewegung neue Kraft und neue Hoffnung gegeben 
wurde. Zweitens der erfolgreiche Ausgang dieses ersien Streiks, der 
spmptomatisch wurde für alle anderen. Es zeigt sich hier bereits der 
ungeheure Mangel an politischer Psychologie der Regierung und das 
restlose Versagen der Militärs in politischen Lebensfragen des Volkes. 
Der erfolgreiche Fortgang der revolutionären Bewegung veran- 
laßte die Opposition zu einer neuen internationalen Zusammenkunft, 
der zweiten Zimmerwalder Konferenz in Kienthal in der 
Schweiz vom 24. bis 30. April 1916. An ihr nahmen deutscherseits 
sieben Mitglieder teil, die sich entsprechend der revolutionären Zer- 
splitterung aus vier Mitgliedern der „Sozialdemokratischen Arbeits- 
gemeinschaft“, zwei Vertretern der Gruppe „Internationale“ und 
einem Anhänger der „Linksradikalen“ zusammensetzten. 
Der 1. Mai 1916 war, wie nicht anders zu erwarten, von der 
Opposition zu großen Manifestationen ausersehen 1. Man begnügte 
sich diesmal nicht mehr mit der Verteilung und Plakatierung von 
Aufrufen und Handzetteln, sondern ging zur organisierten Straßen- 
demonstration über. Liebknecht ließ es sich nicht nehmen, in Berlin 
an der Spitze der Demonstranten auf den Potsdamer Platz zu ziehen 
und ein Hoch auf die Revolution auszubringen, worauf er sofort 
verhaftet wurde. Gleichzeitig fanden Demonstrationen in Dresden, 
Pirna, Jena, Stuttgart, Magdeburg, Braunschweig, Leipzig, Kiel, 
Bremen und Duisburg statt. · 
Die Verhaftung Liebknechts, die zweifellos vom militärischen 
Standpunkt aus notwendig war, wurde der Anlaß zu noch inten- 
siverer revolutionärer Arbeit, weil die Regierung sich scheute, 
Liebknecht gegenüber die staatsnotwendigen Konsequenzen 
zu ziehen. 
1 Siehe Anhang 11.
	        
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