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„Die Politik von Gestern und Heute mußte sich in Ermang-
lung einer lebendigen Idee im Existenz- und Interessenkampf
erschöpfen und verbrauchen. Ob nun dieses Interesse egoistisch
oder kapitalistisch, sozialistisch, nationalistisch oder international
war, ist völlig belanglos. Das Entscheidende ist der gemein-
same Mangel einer lebendigen Jdee
. Die Garantien, deren wir bedürfen, sind ganz anderer
Art. Sie verkörpern sich nicht in der hoffnungslosen Kulti-
vierung alter politischer Formen und Systeme, auch nicht in
ihrer Modernisierung, wie sie sich in der Forderung zwischen-
staatlicher Organisationen, interparlamentarischer Konferenzen
und Schiedsgerichte ausdrückt. Die Garantien der Zukunft
können durch keine politische Technik geschaffen werden, sondern
sie wurzeln in der Erziehung des neuen Geschlechtes, zu einer
schöpferischen politischen Auffassung, zu dem neuen Bewußt-
sein vom Leben.“
Dieses Manifest, das innerhalb unserer Anhänger zu den heftig-
sten Auseinandersetzungen führte, war das letzte der „C.A.S.“, denn
wenige Wochen später wurde ich zwangsweise zum Militär ein-
gezogen.
Ee ist bis jetzt bei der Beurteilung der revolutionären Entwicklung
in Deutschland fast überall der Fehler gemacht worden, den revolu-
tionären Wert der intellektuellen Kreise zu unterschätzen. Dies ist um
so verhängnisvoller, als der intellektuelle Zersetzungsprozeß
im Bürgertum in seiner Endwirkung fast noch verderblichere Folgen
gezeitigt hat, als die revolutionäre Propaganda innerhalb der Arbeiter-
schaft. Während in der Arbeiterschaft die revolutionären Theorien bei
der übergroßen Mehrzahl aus sozialen Forderungen herrührten
und auf eine gesellschaftliche Umschichtung abzielten, findet man in
den revolutionären intellektuellen Kreisen jenes zersetzende gei-
stige Gift, welches das Volk bis in die tiefsten Wurzeln
seines nationalen Bewußtseins zerfressen hat.
Was Flugblätter und Handzettel unter den Arbeitermassen be-
wirkten, das wurde von intellektueller Seite in Form aufreizender,
tendenziöser Publikationen wettgemacht. Man lese die Artikel Pro-
fessor Foersters in der „Friedenswarte"“, Rudolf Goldscheids
„Deutschlands größte Gefahr“. Die „Weißen Blätter“ von Ren