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Gründen wurde ich kurz vor dem Überschreiten der Grenze verraten
und mußte fluchtartig nach Hamburg zurück. Da ich aber auch dort
bereits der Poltzei avisiert war, fuhr ich noch in derselben Nacht am
19. Juli 1917 nach Berlin weiter. Hier wurde ich durch Dr. Schin-
nagel mit neuen, falschen Papieren ausgerüstet und bekam Empfeh-
lungen an Genossen nach Köln, die mich von dort aus über die hol-
ländische Grenze bringen sollten.
Am 29. Juli 1917 fuhr ich nach Köln, wo ich mich nochmals
14 Tage aufhalten mußte, da der erwartete Posten von der Grenze
nicht rechtzeitig eintraf. Ich wohnte bei Vertrauensleuten genau wie
in Hamburg und lernte in dem Buchladen des Genossen Müller
die Zentrale für den Empfang ausländischer Zeitungen, deren Ein-
fuhr verboten war, kennen. Der Genosse, der mich zur holländischen
Grenze brachte, war auf der Kommandantur in Kheydt bei
München-Gladbach stationiert. Gegen 300 Mark, die ich an der
Grenze um noch ein Beträchtliches erhöhen mußte, brachte er mich
am Sonntag den 12. August 1917 dicht bei dem Dorfe Elmpt über
die holländische Grenze.
Während meiner fast dreimonatigen Flucht in Deutschland habe
ich das praktische Arbeiten der revolutionären Organisation aufs beste
aus eigener Erfahrung beobachten können. Sowohl in Hamburg
wie in Köln hatte ich Gelegenheit, durch reisende Vertrauensleute
meine Post sicher nach Berlin bringen zu lassen. In allen Städten
war für Lebensmittelkarten und Unterkunft gesorgt, und wenn heute
diejenigen, die Nutznießer der Revolution geworden sind, diese Dinge
bestreiten wollen, so entspricht das ganz der Tradition ihrer moralischen
Feigheit, ohne etwas an dem Tatbestand zu ändern.
Geschichtlich läßt sich nachweisen, daß die Revolution in Deutsch-
land systematisch vorbereitet und organisiert, das heißt, daß die
Revolution gemacht worden ist.
Dieser Prozeß der Revolutionierung Deutschlands läßt sich in
drei Phasen einteilen: 1
. Die intellektuelle Revolutionierung der Front.
2. Die psychische Revolutionierung der Front.
3. Die organisatorische Revolutionierung der Heimat.
1 In Hamburg war die Zentrale in dem Jigarrengeschäft von Stangenberg
im Gewerkschaftshaus Besenbinderhof 58//59.