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„Vertreter zu wählen, welche treu zu den Grundsätzen der
alten, revolutionären Sozialdemokratie stehen und entschlossen
sind, gegen die burgfriedliche, nationalistische Mehrheit der
Fraktion und gegen den Parteivorstand der Gewalttätigkeiten
und Parteizerstörung rücksichtslosen Kampf aufzunehmen.“
Auf dieser Tagung kam nicht nur der Gegensatz zwischen der
Opposition und den Mehrheitssozialdemokraten zum Ausdruck, son-
dern auch der Gegensatz zwischen der Opposition und den linksradi-
kalen Kreisen. Kennzeichnend hierfür sind die Ausführungen des
Abgeordneten Haase, der verlangte: „die gegebene Situation zur
Erweiterung der politischen Rechte auszunutzen, wie das aufstrebende
Klassen stets als ihr Recht angesehen hätten.“ Diese für die Kom-
promißpolitik der Opposition typische Außerung Haases charakteri-
siert deutlich den Gegensatz zwischen ihm und den Führern der links-
radikalen, revolutionären Bewegung.
Das Attentat Friedrich Adlers auf den Grafen Stürgkh am
21. Oktober 1916 fand in der revolutionären Bewegung einen starken
Widerhall, und die in einer Broschüre zusammengefaßten Ausfüh-
rungen Adlers vor Gericht fanden reißenden Absatz. Am 29. Ok-
tober 1916 tagte die sozialdemokratische Verbandsgeneralversammlung
für Groß-Berlin, auf der die Opposition eine Resolution gegen die
Fraktionsmehrheit durchzusetzen wußte, wie es ihr auch in der Ge-
neralversammlung der Berliner Metallarbeiter am 26. November
1916 gelang, die Arbeiter zu einer scharfen Ablehnung des Hilfs-
dienstgesetzes zu bewegen.
Gegen das Ende des Jahres 1916 fand die aus pazifistischen
Kreisen stammende Lichnowsky-Broschüre, um deren Verbreitung
sich Hauptmann v. Beerfelde und der Bruder Hardens, Witting,
bemüht hatten, starken Absatz. Diese Broschüre und der ebenfalls
verbreitete Mühlon-Brief waren von verheerender Wirkung. Sie
wurden nicht nur im Inland verbreitet, sondern auch von der Entente
in ausgiebigster Weise verwertet.
Am 2./3. Dezember 1916 erfolgte in Frankfurt am Main die
Konstituierung der „Zentralstelle Völkerrecht“, die eine Zusammen-
fassung der einzelnen pazifistischen Organisationen darstellte, die mehr
oder weniger durch den Belagerungszustand in ihrer Tätigkeit behin-
dert oder von der Behörde verboten waren. Die Führer der „Zentral=