Full text: Die Legitimation einer usurpirten Staatsgewalt. Erste Abtheilung. (1)

afficirt; jedoch auch wenn der Zweifel am Recht nicht durch eine 
feste Zeitgränze abgeschnitten wird, können die übrigen Erfordernisse 
des Instituts Anhaltspunkte geben, um in jedem einzelnen Fall 
approximativ die Gränze festzustellen. Dagegen halten wir folgende 
Argnumente für durchgreifend: 
1. Die Verjährung ist ein Grund für Erwerb und Verlust von 
subjektiven Rechten, aber sie erzeugt keine Rechtssätze, ist keine Rechts- 
quelle. Wollten wir, wie Bluntschli, ihr im Staatsrecht die letztere 
Bedeutung zuschreiben, dann würden wir ein neues Onstitut schaf- 
fen, das in einem für den Begriff wesentlichen Punkte von dem 
gleichnamigen privatrechtlichen sich unterschiede und demgemäß auch 
in den übrigen Erfordernissen demselben durchaus nicht entsprechen 
könnte; dazu sehen wir uns aber um so weniger veranlaßt, als 
bereits eine allgemein anerkannte Rechtsquelle, das Gewohnheits- 
recht, besteht, welche in ihren Voraussetzungen Bluntschli's staatlicher 
Verjährung ähnlich, die Wirkung derselben vollkommen ausfülltt07). 
Ist die Verjährung aber keine Rechtsquelle, so bedarf sie zu ihrer 
rechtlichen Geltung der Sanktion durch eine Rechtsquelle, d. h. durch 
einen Satz des positiven Rechts. Ein solcher Satz ist nun, so weit 
mir bekannt, in dem Rechte keines Staates ganz allgemein ausge- 
sprochen; vielmehr sind es überall nur einzelne Kategorien von Be- 
fugnissen, für welche die Verjährung ausdrücklich sanktionirt ist. 
Im Römischen Recht der Kaiserzeit, das am meisten einen univer- 
salen Charakter in Anspruch nehmen kann, ist die Verjährung auf 
dem Gebiet des Privatrechts als Erwerbgrund von Rechten nur bei 
dem Eigenthum und den Servituten anerkanntos), als Grund des Ver- 
lustes zerstört sie nur die Servituten und die Ansprüche, und, so weit die 
letzteren aus Forderungsrechten entspringen, diese mit ihnen; insbeson- 
dere ist sie bei den Familienrechten ausgeschlossen"o?); im Strafrecht 
kommt sie nur als Verjährung des Rechts zur Akkusation vor; im eigent- 
  
—— 
107) Bluntschli's Auffassung der staatlichen Verjährung entspricht seiner De- 
finition des saatlichen Besitzes, wonach derselbe die thatsächliche Ordnung der 
öffentlichen Verhältnisse ist. Eine solche Bezeichnung weicht aber nicht allein von 
der üblichen juristischen Terminologie ab, welche den Besitz — auch im Staats- 
recht — nur auf subjektive Rechte bezieht, sondern widerstrebt ebenso dem Sprach- 
gebrauch des gewöhnlichen Lebens. Niemand wird etwa sagen, ein oktroyirtes 
Preßgesetz sei im „Besitz“, um dessen thatsächliche Geltung auszudrücken. 
108) Streitig ist ihre Anwendung auf Emphyteuse und Supersicies. 
109) Windscheid, I, § 105, N. 5.
	        
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