Die Organisation des Staates. 15
wurde der Senat auch auf dem ihm verbliebenen Gebiete der
Zentralverwaltung und der Gesetzgebung durch die Mitwirkung
der bürgerlichen Organe beschränkt. In der Mitte des 19. Jahr-
hunderts fing ferner die Rechtsprechung an, von ihm auf un-
abhängige, selbständige Gerichte überzugehen, und so ist das
Ergebnis das, daß dem Senate heute im wesentlichen dieselbe
Stellung zukommt wie dem Landesherrn in den deutschen
konstitutionellen Monarchien. Soweit es sich um die Kom-
munalverwaltung handelt, ähnelt die Stellung des Senates
außerdem derjenigen eines Stadtmagistrates.
Grundlegend für die Stellung des Senates ist der bereits
oben erwähnte Art. 18 der Verfassung, nach dem er sämtliche
Staatsangelegenheiten und Gemeindeangelegenheiten der Stadt
Lübeck zu leiten hat, soweit nicht der Verfassung eine Mit-
wirkung oder Zustimmung der Bürgerschaft oder des Bürger-
ausschusses ausdrücklich vorschreibt. Läßt sich danach ein
vollständiger Überblick über seine Aufgaben erst durch eine
Kenntnis dieser unten S. 33ff. zu behandelnden Einschrän-
kungen gewinnen, so kann hier doch schon folgendes gesagt
werden.
Dem Senate allein liegt die Vertretung des Staates nach
außen im völkerrechtlichen und staatsrechtlichen Sinne ob.
Eine Einschränkung besteht hinsichtlich des Abschlusses von
Staatsverträgen, die den Handel, die Schiffahrt oder einen
derjenigen Gegenstände betreffen, die der Mitgenehmigung der
Bürgerschaft unterliegen: solche Verträge bedürfen nach
Art. 50 IX der Verfassung der Zustimmung der Bürgerschaft.
Die dem Staate zu leistenden Eide (Bürgereid, Beamteneid)
nimmt der Senat ab*). Er ernennt grundsätzlich unbeschränkt
die Beamten **), und wählt die bürgerlichen Deputierten bei
den Verwaltungsbehörden, teils unbeschränkt, teils auf Vor-
schlag des Bürgerausschusses (Art. 72 d. Verf.), soweit nicht
das Ernennungsrecht selbst dem Bürgerausschusse eingeräumt
ist. Der Senat übt die vollziehende Gewalt aus, soweit sie
*) In bezug auf die mittleren und unteren Beamten pflegt
der Senat auf Grund des $ 6 des Beamtengesetzes die Leistung
des Eides vor dem Stadt- und Landamte anzuordnen.
**) Das Nähere siehe unten S. 741.