86 Vierter Abschnitt.
keineswegs bloß um die Handhabung bestehender Gesetze,
sondern in weitestem Umfange um die Schaffung von Rechts-
sätzen zur Ergänzung des Reichsrechtes*. Wo indes die
Reichsgesetze die Regelung einzelner Gegenstände nicht den
Landesgesetzen oder allgemein dem Landesrecht überlassen,
sondern sie ausdrücklich der Landesregierung übertragen **),
ist der Senat allein zuständig (vgl. oben 8. 8).
Die Befugnis des Senates zum Erlaß polizeilicher Ver-
fügungen entspricht dem auch in anderen Staaten geltenden
Rechtszustande; eine nähere Erörterung der Grenzen dieser
Befugnis darf deshalb hier unterbleiben. Etwaige Meinungs-
verschiedenheiten zwischen dem Senate und der Bürgerschaft
über den Umfang des Polizeiverordnungsrechtes sind nötigen-
falls nach Maßgabe der oben 8. 52f. erörterten Bekannt-
machung, die Ausführung des $ 86 (jetzt Art. 74) der revi-
6. August 1851
7. April 1875
zu entscheiden. Beispiele solcher „PolizeilichenVerfügungen“ ***)
bieten die Hafen- und Revierordnung vom 17. August 1907
sowie die Straßenpolizeiordnungen für Lübeck vom
11. Februar 1880 und für Travemünde vom 8. September 1906.
Sie werden teils vom Senate, teils vom Polizeiamte erlassen.
Das letztere handelt dabei zuweilen auf Grund eines besonderen
Auftrages des Senates, auf den bei der Bekanntmachung auch
wohl Bezug genommen wird), regelmäßig aber auf Grund
dierten Verfassungsurkunde betreffend, vom
mm
*) Die Ausführungsgesetze zum B.G.B., zur Z.P.O., zur
Str.P.O. sind denn auch vom Senate im Einvernehmen mit
der Bürgerschaft erlassen.
**) So $ 83 des Personenstandsgesetzes vom 6. Februar
1875: „Die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlichen
Bestimmungen werden, soweit dieselben nicht durch eine
vom Bundesrate erlassene Ausführungsverordnung getroffen
werden, von den einzelnen Landesregierungen erlassen.“ Die
Verordnung, die Ausführung dieses Gesetzes betreffend, vom
3. Mai 1899 ist denn auch vom Senate allein erlassen.
***), Verfügung“ ist hier natürlich nicht im Sinne von
Entscheidung eines konkreten Einzelfalls gebraucht.
7) Z. B. in der Verordnung, betreffend den Fang von
Karpfen, vom 13. November 1906.