Full text: Bernhard Fürst von Bülow - Denkwürdigkeiten. Erster Band. Vom Staatsseketariat bis zur Marokko-Krise. (1)

174. DAS HAMBURGER BISMARCK-DENKMAL 
Kaiser allenfalls gelten, denn es war unter seinen Augen und nach seinen 
Wünschen entstanden. Die nonchalante Ilaltung des großen Mannes, der 
für militärische Augen beinahe saloppe Anzug stellten den Fürsten so dar, 
wie er, soweit es vom Kaiser abhing, der Nation erscheinen sollte: als der 
schneidige Junker, der dem Reichstag den Rücken zuwendet, der mit 
Volksvertretungen umzuspringen weiß und Volksvertretern gegenüber die 
richtige Tonart kennt. Welch ein Unterschied mit der würdigen, feierlichen, 
verklärten Haltung des ebenfalls nach den Wünschen und Winken Seiner 
Majestät und auch von Reinhold Begas schon 1897 ausgeführten, großen 
Denkmals des alten Kaisers in Berlin, der als Sieger in das ehrwürdige 
Schloß seiner Väter zurückkehrt, geleitet von der Viktoria. Ganz anti- 
pathisch war Kaiser Wilhelm II. das herrliche Bismarck-Denkmal, das sich 
über den Hamburger Hafen auf der Elbhöhe erhebt. Der Kaiser kannte dies 
Denkmal nur aus Abbildungen, die er in illustrierten Zeitungen erblickt 
hatte. Das hatte aber genügt, um ihm das Meisterwerk von Lederer so 
erscheinen zu lassen, wie er nicht wünschte, daß der erste Kanzler vor dem 
deutschen Volk stünde: als die Verkörperung deutscher Kraft und deutschen 
Wesens, als der Genius des deutschen Volkes, als die gewaltige Figur, die 
den Schiffern, den Reisenden, die aus der Ferne elbaufwärts in den Ham- 
burger Hafen und in die Heimat zurückkehren, an Roland und Siegfried, 
an den Cherusker, an Karl den Großen und an Barbarossa, an Wotan 
selbst, an die ganz oder fast mythischen Gestalten der deutschen Sage und 
Geschichte erinnert. Wilhelm II. hat dieses Denkmal niemals besichtigen 
wollen und dahin gehende Bitten des sonst von ihm sehr geschätzten 
Hamburger Bürgermeisters Burchard immer wieder abgelehnt. Als es bei 
einer gemeinsamen Fahrt durch Hamburg dem Bürgermeister einmal 
gelang, den Kaiser, ohne daß dieser es merkte, auf das Heilige-Geist-Feld, 
ganz in die Nähe des Bismarck-Denkmals zu bringen, und er dann den 
Kaiser auf dieses hinwies, wandte Wilhelm II. starr das Gesicht nach der 
entgegengesetzten Seite und sah erst dann wieder freundlich in die Welt, 
als das Bismarck-Denkmal hinter ihm lag. 
Die Festrede bei der Einweihung des Wiesbadener Monuments für 
Kaiser Friedrich hielt der Theaterintendant von Wiesbaden, Georg 
von Hülsen. Er und sein Bruder Dietrich, damals Flügeladjutant, später 
Generaladjutant und Chef des Militärkabinetts, haben unter der Regierung 
Wilhelms II. eine große Rolle gespielt. Sie waren Söhne des langjährigen 
Theaterintendanten unter Wilhelm I., des 1886 verstorbenen Botho von 
Hülsen, der die Bete noire der Wagnerianer war, weil er als ein Gegner 
der Wagnerschen Musik galt und in der Tat nur selten und ungern Wagner- 
sche Opern aufführte. Das war gewiß nicht zu loben, aber es darf nicht 
übersehen werden, wie verständnislos in den fünfziger und sechziger Jahren
	        
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