Full text: Die Weltgeschichte. Zweiter Theil. Das Mittelalter. (2)

Otto römischer Kaiser. 127 
Rechtes über die Bischöfe durch und schützte Bürger und Senatoren 
von Ravenna gegen die Gewaltthätigkeiten des Erzbischofs. An ihn 
wandte sich Dietberga, Lothars II. Gemahlin, als sie von diesem un- 
schuldig verfolgt und angeklagt auf einem Reichstage von den geist- 
lichen und weltlichen Großen geopfert wurde, als sie auch keinen Schutz 
bei Kaiser Ludwig UII. fand, und der Papst half mit dem Aufgebot 
aller seiner Kraft dem verfolgten und verrathenen Königsweibe zu seinem 
Rechte. 
Das Papstthum errang sich auf diesem Wege bei den chhristlichen 
Völkern des Mittelalters den Vorrang vor dem Kaiserthum, was man 
bildlich so ausdrückte: Wie Gott zur Erleuchtung der Welt zwei große 
Lichter geschaffen hat, die Sonne und den Mond, so hat er für die 
Christenheit zwei Gewalten angeordnet, die päpstliche und die kaiser- 
liche; wie aber der Mond von der Sonne sein Licht empfängt, so der 
Kaiser seine Weihe von dem Papste. Oder: zwei Schwerter hat Gott 
für die Welt bestellt, nämlich das geistige, das empfängt der Papst 
von Christus, und das weltliche, das verleihet der Papst dem Kaiser zum 
Schutze der Christenheit, zur Strafe des Frevels und zum Kampfe gegen 
die Ungläubigen. Deßwegen gab es auch keinen gebornen Kaiser, son- 
dern der Monarch, der Kaiser sein und von den christlichen Völkern als 
solcher anerkannt sein wollte, mußte die Kaiserkrone von dem Papfste 
empfangen. 
Die Gefahr eines Streites zwischen den beiden höchsten Würde- 
trägern der Christenheit lag schon nahe genug als eine Folge der 
Schwächen, die jedem Menschen anhaften; sie rückte aber um so näher, 
seitdem die geistlichen Würdeträger durch den Besitz von Land und 
Leuten fürstliche Lehenträger der Krone geworden waren, denn bei diesem 
Doppelverhältnisse konnte der Papst, wenn er in Sachen der Metropoliten, 
Bischöfe und Aebte richtete oder vermittelte, leicht in das Gebiet der 
Kronrechte übergreifen. Andererseits war der Kaiser der Versuchung aus- 
gesetzt, die geistlichen Würdeträger ganz wie die weltlichen zu behandeln 
und die kirchlichen Rechte zu verletzen, ganz gewiß aber gerieth er mit 
dem Papste in einen förmlichen Kampf, wenn er sich die unmittelbare 
Oberherrschaft über Italien und Rom verschaffen, die Selbstständigkeit 
der italienischen Staaten vernichten wollte; denn dadurch wäre der Papst 
in die Gewalt des Kaisers gekommen, wäre als kaiserlicher Papst oder 
als Diener des Kaisers von den andern christlichen Nationen betrachtet 
worden und hätte auf diese Weise mit seiner Unabhängigkeit und Ma- 
jestät die eine Grundlage (die weltliche, von den Weltverhältnissen be- 
dingte) seiner universalen Wirksamkeit verloren. Deßwegen sprachen sich 
alle andern christlichen Nationen für den Papst und gegen die Kaiser aus, 
welche die kaiserliche Oberberrlichkeit über Italien mit Gewalt in die
	        
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