Full text: Die Weltgeschichte. Zweiter Theil. Das Mittelalter. (2)

4 Das Christenthum unter den Germanen und Slaven. 
Damals waren sie in zwei Völker getheilt: Ostgothen (Ostrogothen; 
Greuthunger, wenn dies nicht der Name eines Hauptstammes derselben 
ist), welche ihre Könige aus dem Geschlechte der Amalunger wählten, 
und Westgothen (Wesegothen, Visigothen; Therwinger) mit dem Königs- 
geschlecht der Balten; jedoch war um 360 der Ostgothenkönig Hermana- 
rich nicht nur Oberherr über die Westgothen, sondern auch über die 
meisten germanischen und slavischen Völker, welche zwischen dem schwarzen 
und baltischen Meere, der Theiß und Wolga wohnten. Dieses große 
Gothenreich wurde durch den Einfall der Hunnen zertrümmert (Thl. I. 
S. 398), die Westgothen wanderten über die Donau, unter Alarich 
nach Italien, unter Athaulf nach Gallien und Spanien (Thl. 1. 
S. 398—400); die Ostgothen begleiteten Attila auf seinem großen 
Heerzug nach Gallien, machten sich aber nach seinem Tode wieder frei 
und hausten in Pannonien und Mösien als unruhige Nachbarn des 
byzantinischen Kaisers. 
KAänig Chrodorich (493—526). 
Kaiser Zeno I. bewog deßwegen den jungen Ostgothenkönig Theo- 
dorich (Dietrich d. h. Volksherrscher) nach Italien zu ziehen, das Odoa= 
ker als König beherrschte, der oströmische Kaiser aber als einen Theil 
des römischen Reiches ansprach und den Ostgothen schenkte. Im Herbste 
488 brachen die Gothen auf, warfen die stammverwandten Gepiden, 
die ihnen den Weg versperrten, über die Save und Donau zurück und 
überschritten im Frühjahre 489 bei Aquileja die italienische Grenze. Am 
Isonzo schlugen sie Odoakers Heer in einer heißen Schlacht (April), in 
einer zweiten bei Verona (Sept.) und besetzten das Pothal bis Pavia. 
Odoaker hatte unterdessen abermals ein Heer zusammengebracht, ver- 
lor aber eine dritte Schlacht an der Adda (August 490), worauf er sich 
nach Ravenna warf und erst im März 493 durch Hunger zur Ueber- 
gabe genöthigt wurde. Er hatte sich Leben, Freibeit und den nächsien 
Platz nach Theodorich ausbedungen, dieser ließ ihn aber wortbrüchig bei 
einem Gastmahle ermorden und auch seine vornehmsten Kriegsleute 
niedermachen. 
Gothen und Römer. Einrichtungen des Reichs. 
Tbeodorich war jetzt Herr über Italien und wurde von dem ost- 
römischen Kaiser als König anerkannt. Er hielt Hof zu Ravenna (im 
deutschen Heldenliede Raben genannt) oder zu Verona (das von ihm 
bei den Deutschen viele Jahrhunderte lang Dietrichsbern hieß), wo noch 
Baudenkmale von ihm zeugen, und regierte Italien friedlich und keines- 
wegs nach Art barbarischer Fürsten. Für seine Gothen, deren Anzahl 
wohl sehr übertrieben auf 200,000 ftreitbare Männer angegeben wird,
	        
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