Die Engländer in Paris. Die Jungfrau von Orleans. 313
fast alle nördlichen und östlichen Provinzen an die Engländer und schien
gegen einen Nebenbuhler wie der englische König unrettbar verloren,
als Heinrich V. am 31. August 1422 zu Vincennes starb.
Die Engländer in Paris.
Sein Sohn Heinrich VI., der Erbe der englischen und französischen
Kronen, war erst ein Jahr alt und seine Oheime regierten für ihn
England und Frankreich. Die Herzoge von Burgund und der Bretagne
schworen dem jungen Könige den Vasalleneid und auch Paris huldigte,
Lord Bedford aber wurde als Regent Frankreichs von dem ganzen nörd-
lichen und östlichen Theile des Landes anerkannt. Der König Karl VII.
(seit Okt. 1422) wurde von den Engländern bei Krevant (1423) und
Verneuil (1424) geschlagen; er war so verarmt, daß er kaum üÜber
einige Thaler verfügen konnte und zudem kein Feldberr, den Lüsten er-
geben, unzuverlässig und undankbar. Zu seinem Glücke beschäftigte die
Engländer ein Zwist mit dem Herzog von Burgund volle drei Jahre,
aber im Okt. 1428 belagerten sie Orleans, das Thor zu Karls letzten
Besitzungen; fiel es in ihre Macht, so war Frankreichs nationales Kö-
nigthum verloren.
Die Jungsrau von Orleans (1428—1430).
Da rettete es die Jungfrau von Orleans, ein begeistertes 19jähri-
ges Bauernmädchen, Johanna Romée (d'Arc), aus dem lothringischen
Dorfe Domremy. Sie erschien vor Karl VII., der hoffnungslos aber
vergnügt im Schlosse Chinon Hof hielt, und erklärte ihm, sie sei von
Gott berufen die Engländer von Orleans zu vertreiben und den König
nach Rheims zur Krönung zu führen. Der König glaubte ihr nicht,
wohl aber das Volk und die Soldaten, und darum durfte sie einen
Versuch wagen. Wie ein Mann gerüstet trug sie den Kriegern die Fahne
voran; die Franzosen folgten ihr als der von Gott erweckten Retterin
und die Engländer flohen vor ihr wie vor einem übermenschlichen Wesen.
Orleans wurde befreit (Mai 1429), Stadt für Stadt gewonnen, die
Engländer überall aus dem Felde geschlagen und Karl VII. in Rheims
den 27. Juli 1429 gekrönt. Nun wollte die Jungfrau in ihr Dorf
zurückkehren, weil ihre Sendung erfüllt sei; aber der König gedachte
sie noch ferner gegen die Engländer zu verwenden und bewog sie bei
dem Heere zu bleiben. Doch von jetzt an war das Gläck nicht mehr
mit ihr; ihr Angriff auf Paris scheiterte und bei einem Ausfalle aus
Kompiegne wurde sie von den Engländern gefangen (25. Mai 1430).
Karl VII. that nichts für sie; sie wurde vor ein Gericht gestellt, das
aus geistlichen und weltlichen Herren (englischen Franzosen) bestand;
standhaft vertheidigte sie ihre höhere Sendung, wurde aber dennoch