8 Die Reformation. Religionskriege. Verfall Deutschlands rc.
kapern im Sinne trugen? Und, müssen wir beifügen, was wäre aus
Deutschland unter einem Franzosenkaiser geworden? Wenn man be-
hauptet, ein deutscher Fürst hätte Kaiser werden können, die Kurfürsten
hätten den Franzosenkönig nie gewählt, so wäre ein solcher deutscher
Kaiser entweder ein Strohmann gewesen, um den sich niemand beküm-
merte, oder er hätte mit der deutschen Revolution ein Bündniß gemacht
und Deutschland ruiniert. Karl hatte keine Wahl, als die Kaiserkrone
um jeden Preis anzunehmen, wenn er nicht zusehen wollte, wie Frank-
reich in Europa zur Uebermacht gelangte, Deutschland seiner Gränz-
provinzen beraubte und die österreichischen Erblande der Rebellion, den
Türken und Venetianern preisgab.
Der Reichelag zu Worms (1521).
Nachdem Karl im zweiten Jahre seiner Erwählung nach Deutsch-
land gekommen war und in Aachen die Königskrone empfangen hatte,
kam endlich der Reichstag von Worms zu Stande, von dem das Volk
große Dinge erwartete; denn Luther sollte da erscheinen und sich verant-
worten. Am 13. Februar 1521 hielt der päpstliche Legat Aleander
eine lange Rede an den Reichstag, in welcher er darlegte, daß Luthers
Lehre ganz geeignet sei, alle bisherige Ordnung umzustoßen. Man hörte
ihn an, aber wie groß die Abneigung gegen Rom war, ergibt sich dar-
aus, daß durch den Reichstag selbst 101 Klagepunkte gegen Rom ent-
worfen wurden. Luther erhielt sicheres Geleite für die Hin= und Her-
reise, und sein Weg nach Worms wurde für ihn ein Triumphzug. Er
war übrigens der weltlichen Unterstützung sehr sicher; die Reichsritter,
die eben mit dem Plane einer allgemeinen Schilderhebung gegen welt-
liche und geistliche Fürsten umgingen, sahen in ihm einen Bundesgenos-
sen, wenigstens gegen die geistlichen Fürsten, gegen welche sie zuerst los-
schlagen wollten. Ueberdies schützte ihn der Kurfürst von Sachsen, und
andere Fürsten hatten die Hand mit im Spiele, denn es war vielleicht
nicht einer unter allen deutschen Dynasten, welcher nicht wenigstens einige
wohlgelegene Stücke geistlicher Herrschaften gerne in Besitz genommen
hätte, wenn er auch nicht, wie manche schon damals, lieber alles begehrte.
Thomas Münzer, zu jener Zeit Luthers feuriger Freund, später aber
sein nicht minder heftiger Feind, warf es ihm geradezu vor, er habe den
Fürsten schon in Worms die Einziehung alles Kirchenguts angerathen;
jedenfalls war es nur eine Wiederholung des Rathes, den Luther in
seiner Zuschrift an den Adel deutscher Nation gegeben hatte. Am 16.
April kam Luther nach Worms, und am 17. Nachmittags 4 Uhr wurde
er von dem Reichsmarschall Ulrich von Pappenheim vor den Reichstag
geführt. Der Aublick der hoben Versammlung machte einen solchen