Karl X. 455
setzt halten, es gelang demnach dem König den englischen Einfluß auf
Spanien, den noch kein Herrscher Frankreichs gleichgiltig ansah, voll-
ständig zu verdrängen. In demselben Jahre (1824) wurde die Dauer
der französischen Kammern auf 7 Jahre bestimmt (eine Bürgschaft ge-
gen den schnellen Wechsel der Repräsentation und der mit jeder Wahl
verbundenen Aufregung und ehrgeizigen Werbung), der König schien
demnach bei seinem Tode (16. September 1824) seinem Bruder Karl X.,
dem ehemaligen Grafen von Artois, einen befestigten Thron zu hin-
terlassen.
Karl X. (1824—1830). Die Milliarde für die Emigranten.
Karl X. stellte die geschmälerte Preßfreiheit wieder her und als er
sich das folgende Jahr den 29. Mai zu Rheims krönen ließ, wurde er
auf seiner Reise von dem Landvolke mit Jubel begrüßt und die Städte
mit den Beamten an der Spitze beeiferten sich sehr ihre Loyalität durch
Feuerwerke, Beleuchtungen und Bankette darzulegen. Allein es mangelte
schon damals nicht an verhängnißvollen Anzeichen; der, alte Lafayette,
Washingtons Freund und Kampfgenosse, feterte 1824 in den vereinigten
Staaten Nordamerikas als „Gast der Nation“ einen Triumphzug, dessen
Beschreibung selbst deutsche Spießbürger erwärmte', die Franzosen aber
erinnerte, wie sie einst selbst daran gewesen waren, die Staatsform Nord-
amerikas auf Frankreich überzutragen, was (wie die gangbarste Ausicht
war) durch die Gegenwirkung des Hofes und die Feindseligkeit der
Aristokratie und Geistlichkeit mißlungen set, so daß Frankreich nur durch
die Schreckensmänner von der Herrschaft einer korrupten Aristokratie und
des von ihr geflissentlich genährten Aberglaubens bewahrt wurde, sowie es
nur durch das gleiche fürchterliche System den Angriff des mit der Ari-
stokratie verbundenen Auslandes abwehren konnte. Bereits demonstrierten
nämlich Schriftsteller, was Napoleon nie erlaubt hatte, daß die Schreckens-
herrschaft mit allen ihren gegen das köntgliche Haus, die Aristokratie,
die Geistlichkeit, die Bürgerschaften von Lyon, Marseille, Straßburg 2c.,
gegen die Bauern der Vendée verübten Gräueln eine Nothwendigkeit
gewesen sei, daß die Dinge eben gekommen seien, wie sie hätten kommen
müssen, u. dgl. Phrasen. Wie diese Anschauung der Revolutionszeit
gefördert wurde, als 1825 die Kammern auf den Antrag der Regierung
für die Emigranten eine Milliarde Entschädigung bewilligten, läßt sich
leicht denken; waren dieselben ja in der Marseillaise als Verräther des
Vaterlandes gebrahdmarkt, waren sie doch erst mit den fremden Heeren
nach Frankreich zurückgekehrt. Daß Revolutionsmänner und pfiffige
„Citoyens“, sowie knechtische Werkzeuge des Kaisers die Güter un-
schuldig gemordeter oder vor der Wuth der Schreckensmänner geflüchteter
Edelleute um ein Spottgeld an sich gebracht hatten und nun sehr liberal