Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

600 Die neue Revolutionsperiode. 
sondern erklärte einfach, dazu sei er vollständig berechtigt. Auch im 
Oberhause wurde die Sache angeregt und beide Häuser setzten eine 
Kommission nieder, welche nach reiflicher Untersuchung die Erklärung 
abgab, daß der Minister durch ein unter Königin Anna erlassenes Ge- 
setz zu seiner Handlung befugt gewesen sei, und das Parlament fand 
auch nicht für gut, das angefochtene Gesetz aufzuheben. Bei diesem 
Anlasse erklärte Lord Palmerston, Graham habe im Interesse Englands 
gehandelt; England lebe mit Neapel im Frieden, und da es im Inter- 
esse Englands liege, daß die Ruhe in Neapel nicht gestört werde, so 
sei das englische Ministerium verpflichtet, für die Erhaltung jener Ruhe 
zu sorgen, und eben darum seien die Briefe des in England das Asyl- 
recht genießenden Mazzint gelesen worden, um nöthigenfalls Entwürfe 
zu vereiteln, welche die Ruhe in Neapel stören könnten. Also das In- 
teresse Englands ist allein maßgebend, ob von England aus ein anderes 
Land revolutiontert werden darf oder nicht, und dieser cynische Grund- 
satz machte sich kaum zwei Jahre darauf so sehr geltend, daß England 
aus Interesse die Revolutlonierung Neapels versuchte. Was diesen 
Umschlag bewirkte, war wohl nichts anderes als der innige Anschluß 
Neapels an Frankreich, dessen König 1846 das englische Kabinet durch 
die spanischen Heirathen zu unversöhnlicher Feindschaft reizte. Von dieser 
Zeit an gab sich England eine auffallende Mühe, seinem Einflusse in 
Itallen Boden zu gewinnen, wozu es die Locktöne des Liberalismus 
gebrauchte. Dieses politische System hatte in einem italienischen Geist- 
lichen, Vincenzo Gioberti (geb. 1801 zu Turin, gest. 1852 zu Paris), 
seinen Hauptredner gefunden; derselbe griff in seiner Schrift „il Gesoita 
moderno“ (der Jesuit von heute) nicht etwa bloß den Jesuitenorden 
an, sondern hauptsächlich, wie es sich aus diesem Titel von selbst ver- 
steht, den Geist der Kirchenregierung Gregors XVI., und in einer an- 
dern Schrift „il primato civile e morale degli Italiani“ (der bürger- 
liche und sittlicbe Primat der Italtener) predigte er eine italienische 
Revolution, durch welche die Oesterreicher aus Italien vertrieben, die 
itallenischen Staaten liberal rekonstituiert und in einen Bund vereinigt 
werden sollten, an dessen Spitze der Papst stände. Mazzini trat den 
Phantasieen des geistlichen Herrn keineswegs feindselig entgegen, da sie 
jedenfalls für eine Revolution und gegen Oesterreich arbeiteten, theilte 
sie aber nicht entfernt; denn nach seinem Plane sollten alle ttalienischen 
Throne umgestürzt werden und an ihre Stelle eine Republik treten, die 
des ruhmvollen Namens halber die römische zu heißen bestimmt war. 
Mazzini ließ die liberale Partei ungestört Propaganda machen in der 
Voraussicht, daß ihre Erfolge schließlich ihm zu gute kommen werden, 
und umgekehrt störte ihn die liberale Partei nicht, weil sein Treiben in 
erster Linie gegen Oesterreich gerichtet war und sie fest daran glaubte,
	        
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