Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

56 Die Reformation. Religionskriege. Verfall Deutschlands rc. 
durch das strenge Sittengericht der Kirchenvorsteher. Das Kirchenregi- 
ment organisierte Kalvin ganz republikanisch; er verwarf jede Hierarchie 
und führte ein Konsistorium ein, das aus zwölf Laien und sechs Geist- 
lichen bestand und die höchste kirchliche Gewalt übte. Diese Ordnung 
wurde zwar bald nach seinem Tode beseitigt und das Konsistorium nur 
aus Geistlichen bestellt, welche dem Magistrate untergeordnet wurden, so 
daß also die Gemeinde, aus welcher der Magistrat hervorging, nur mit- 
telbar die kirchliche Obergewalt behauptete. Auch die Wahl der Geist- 
lichen stand der Gemeinde zu und die Synoden, welche periodisch zu- 
sammentreten sollten, waren aus Geistlichen und Laien gemischte. Kalvin 
starb den 24. Mai 1564, nicht ganz 54 Jahre alt. Seine Lehre brei- 
tete sich besonders in Frankreich, den Niederlanden und in Eng- 
land aus und hatte überall die Auflehnung nicht allein gegen jede 
Hierarchie, sondern auch gegen die Monarchie, selbst gegen die republi- 
kanische Aristokratie, zur Folge; sie schuf fürchterliche Fanatiker, aber auch 
thätige, ernste, arbeitsame und unternehmende Menschen, die vor keiner 
Gefahr und Schwierigkeit zurückschracken. Sie wurde auch in Deutsch- 
land eingeführt, in Rhrinpfalz und Hessen, aber auf fürstlichen 
Befehl und mit deutsch-protestantischer Kirchenordnung, so daß der Lau- 
desherr über die kalvinisch-reformierte Landeskirche ebenso verfügte, wie 
über die lutherisch-reformierte. 
Genf wurde die Metropole des romanischen Protestantismus und 
gewann dadurch eine weltgeschichtliche Bedeutung; durch Handel und 
Industrie wurde es reich und in den Stand gesetzt, seine Akademie zu 
pflegen, so daß es unter den Herden der Wissenschaft einen der vor- 
deren Plätze einnahm, während es sich zuglelch anstrengte, die kalvinisch- 
ernste Haltung zu bewahren, was aber nur äußerlich gelang; denn es 
versiel dem vom Westen herwehenden Zeitgeiste so sehr als Lausanne 
und Bern, es verwandelte sich in eine Aristokratie, gegen welche die 
Demokratie vlelmal aber immer vergeblich ankämpfte. Zur Zeit der 
ersten französischen Revolution wurde es Kleinparis, insofern es alles treu- 
lich nachmachte, was in der großen Seinestadt gethan wurde. Die franzö- 
sische Herrschaft 1792—1815 nahm Genf seinen ausschließenden Kalvi- 
nismus, und auch 1815, als es wieder eigene Republik und Schweizer= 
stadt wurde, konnte es denselben nicht mehr vollständig herstellen, jedoch 
behielt er solche Mittel, namentlich Geldmittel, in der Hand, daß er 
unbestritten herrschte. Durch die neuesten Revolutionen aber ist ihm 
alles entwunden, und Stadt und Kanton sind zu einer Demokratie um- 
gestaltet, welche kein Vorrecht der Geburt, des Vermögens oder Glau- 
bens anerkennt; jetzt erst gibt es wieder eine katholische Gemeinde in 
Genuf mit allen bürgerlichen Rechten.
	        
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