Die Reformation in England.
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Dittwe seines als Knaben gestorbenen Bruders Arthur, und lebte man-
es Jahr mit ihr in glücklicher Ehe. Anfangs war er Bundesgenosse
Karls V. gegen Frankreich, später aber wurde er für Geld Frankreichs
All#erter, ohne ihm jedoch viel zu nützen. Die Schätze seines Vaters
hatte er rasch verschwendet, denn er war ein leichtsinniger Mann und
schechter Haushälter. Er beschäftigte sich nebenher viel mit der Theo-
legie, und als Luther in seiner Schrift „die babylonische Gefangenschaft
der Kirche“ die Sakramente angriff, schrieb der königliche Theologe eine
Gegenschrift, welche ihm von dem Papste den Titel „Defensor fidei“
einrug, wogegen ihm Luther mit andern Titeln „Lügenmaul, grober
Thomist, Narr, Eselskopf“ u. dgl. aufwartete.
Heinrich wurde seiner acht Jahre älteren Gemahlin überdrüssig und
fing nach anderen Buhlschaften eine mit Anna Boleyn, einem schö-
nen, leichtferrigen und ehrgeizigen Edelfräulein, an. Dieses that tugend-
haft, weil es Königin sein wollte, und Heinrich bekam jetzt plötzlich
Gewissensskrupel, daß seine Ehe mit seines Bruders Wittwe eine uner-
laubte gewesen sei. Er drang auf Scheidung und wandte sich an den
Papst Klemens VII.; allein in Rom verzögerte sich der Prozeß; Kaiser
Karl V. wirkte für die Ehre seiner unschuldigen Verwandten, Franz von
Frankreich gegen Karl, aber nicht für Anna Boleyn, da er den englischen
König mit dem französischen Königshause zu verbinden wünschte. Das
Spiel der politischen Ränke und Rücksichten dauerte der Anna Boleyn
zu lange und sie rieth ihrem königlichen Liebhaber den Prozeß damit zu
kürzen, daß er sich gleich den deutschen protestantischen Fürsten zum Kir-
chenhaupt erkläre. Dies leuchtete ihm ein; das dienstwillige Parlament
strafte zuerst die hohe Geistlichkeit Englands wegen angeblicher Ueber-
tretung der Staatsgesetze, entzog dem Papst die Annaten und selne
Oberhoheitsrechte über die Kirche, Heinrich aber heirathete Anna Boleyn
und erklärte seine mit der verstoßenen Königin erzeugte Tochter Maria
für unächt (1533). Des Königs Werkzeuge bei diesem unehrenhaften
Handel waren der rechtsgelehrte Minister Thomas Kromwell und
der neue Erzbischof Kranmer von Kanterbury, ein heimlicher Prote-
stant und schon zweimal verheirathet. Letzterer entwickelte vor dem Par-
lamente: „der König hat seine Sache vor dem Gerichte seines eigenen
Gewissens untersucht, welches erleuchtet und geleitet ist von dem Geiste
Gottes, der die Herzen der Fürsten bewohnet und leitet.“ Das Par-
lament erklärte auf des gleichen Mannes Antrag die Prinzessin Maria
der Thronfolge unfähig, hingegen Anna Boleyns Tochter Elisabeth
zur Thronfolge berechtigt und in mehreren Artikeln den König als Haupt
der englischen Kirche, welcher der Papst so wenig zu sagen habe als
irgend ein fremder Bischof. Die verwerfenden Bullen des Papstes
machten den König um so mißtrauischer, als er wohl wußie: daß sein