Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

68 Die Reformation. Religionskriege. Verfall Deutschlands 2c. 
Treiben bei dem Volke keine Billigung finde, wenn dasselbe auch aus 
Furcht sich ruhig verhalte. Der greise Bischof Fisher von Rochester 
und der ehemalige Kanzler Thomas Morus sollten deßwegen als von 
der ganzen Nation verehrte Männer die Thronfolge Elisabeths und die 
Unächtheit der Prinzessin Maria beschwören. In das erste willigten sie, 
zu dem andern waren sie nicht zu bewegen und wurden dafür in den 
Kerker geworfen. Der Klerus erhielt den Auftrag, jerden Sonn= und 
Feiertag ernstlich zu predigen, der König sei das einzige Oberhaupt der 
Kirche, und die politischen Behörden mußten genau darauf achten, daß 
dies wirklich geschah. Der weitaus größere Theil des hohen und nie- 
deren Klerus folgte dieser Zumuthung unbedenklich, nur einige wenige 
Geistliche, darunter drei Priore der Karthäuser, weigerten sich und wur- 
den dafür grausam hingerichtet. Wie verkommen war demnach der eng- 
lische Klerus und wie entfremdet dem englischen Volke! (1535.) Auch 
die beiden Greise, Bischof Fisher (22. Juni) und Thomas Morus (6. 
Juli 1535), mußten sterben. Nun machte Heinrich den Thomas Krom- 
well zu seinem Generalvikar, und dieser ließ den hohen Klerus die 
königliche Oberherrlichkeit auf jede Weise, durch sein Benehmen und 
durch zeitweilige Suspensionen fühlen. Mit diesem war Heinrichen aber 
noch nicht hinlänglich gedient, er brauchte Geld und zog in einem Zeit- 
raum von fünf Jahren für seinen Fiskus ein: 1178 größere und klei- 
nere Klöster und Stifte, 90 Kollegienhäuser, 2374 Stiftungen verschie- 
dener Art, 110 Hospitäler, und ließ sich auch die Güter des Johanniter= 
ordens zuweisen; in wenigen Jahren war alles verschwendet oder an 
adelige Herren und Günstlinge verschenkt. Um diese Zeit traf Anna 
Boleyn die Strafe; sie reizte den König zur Eifersucht durch ein leicht- 
fertiges Benehmen und erzürnte ihn zugleich durch ihre eigene Eifersucht 
gegen Johanna Seymour, ihr Edelfräulein, dem der König seine 
Gunst zugewandt hatte. Er ließ alsbald Anna Boleyn der Blutschande 
und des Ehebruchs anklagen und den 19. Mai 1536 durch das Beil 
hinrichten. Erzbischof Kranmer erklärte auf Befehl des Königs „nach 
Anrufung des Namens Christi und Gott allein vor Augen habend“ die 
Ehe des Königs mit Anna Boleyn als eine ungiltige und die Prinzessin 
Elisabeth unfähig zur Nachfolge. Den Tag nach der Hinrichtung heirathete 
Heinrich VIII. die Seymour, welche im folgenden Jahre an der Geburt 
eines Knaben starb, der als Eduard VI. seinem Vater folgte. Des 
Königs viertes Weib, Anna von Kleve, wurde verstoßen, weil fie 
ihm nicht gefiel, und da sie ihr Schicksal ruhig trug, gut behandelt; die 
fünfte, die katholisterende Anma Howard, wurde von Kranmer denun- 
ciert und hingerichtet, weil sie den König nicht als Jungfrau geheirathet 
hatte; die sechste, Katharina Parr, welche des Königs theologische 
Unfehlbarkeit bezwelfelt und verbotene Bücher gelesen hatte, entging dem
	        
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