Full text: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.

346 Anhang. Anlage Nr. 40. 
Aushändigung seiner Urkunde bis dahin, wo derselbe seine Verbindlich— 
keiten gegen den Steuerfiskus erfüllt haben werde. 
Das Oberverwaltungsgericht erkennt dahin, daß der Beklagte ver- 
bunden sei, dem Isaak Mendel O. und seinen beiden Söhnen die Ent- 
lassungsurkunde zu erteilen. 
Gründe. 
Der § 15 des vorgedachten Gesetzes vom 1. Juni 1870 bezeichnet 
ganz bestimmt die Voraussetzungen, unter denen die Entlassung aus der 
Staatsangehörigkeit eines Bundesstaates nicht erteilt werden kann. Die 
beklagte Behörde erkennt ausdrücklich an, daß bezüglich keines der Kläger 
eine dieser Voraussetzungen vorliege, und es erhellt auch in der Tat eine 
solche nicht. Dies gilt namentlich auch bezüglich des William David O., 
obwohl derselbe jetzt zwischen dem vollendeten siebenzehnten und voll- 
endeten fünfundzwanzigsten Lebensjahre steht, da derselbe zu der Zeit, 
als sein Entlassungsgesuch an zuständiger Stelle angebracht wurde, das 
siebenzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hatte (Erlaß des Ministers 
des Innern vom 31. Mai 1883, Ml. i. V. S. 140; zu vgl. auch die 
bezügliche Abhandlung von Seydel in Hirths Annalen, Jahrgang 1883 
S. 578 ff.). . 
Weiter schreibt der § 17 jenes Gesetzes vor, daß aus anderen als 
den in dem § 15 bezeichneten Gründen in Friedenszeiten die Entlassung 
nicht verweigert werden darf. — Diese an sich schon klare Bestimmung 
wird noch in den Motiven zu dem vom Präsidium des Norddeutschen 
Bundes dem Reichstage vorgelegten Entwurfe des Gesetzes, in dessen 
§ 17 sich dieselbe bereits wörtlich gleichlautend mit dem späteren Gesetze 
befindet, durch folgende Begründung erläutert: . 
„Die Partikularvorschriften, nach welchen die Entlassung aus 
dem Staatsverbande mit Rücksicht auf bestehende Privat= und andere 
Verpflichtungen verweigert oder verzögert werden darf, kommen durch 
diesen Paragraphen in Wegfall, während selbstverständlich die An- 
wendung prozeßrechtlicher Sicherungsmaßregeln nicht ausgeschlossen 
werden soll.“ 
(Aktenstück des Reichstags des Norddeutschen Bundes Nr. 11 aus der 
Session von 1870, Sten Ber. Bd. III S. 159.) 
Nach dem Wortlaut wie nach der Begründung des Gesetzes unter- 
liegt es keinem Zweifel, daß die Landespolizeibehörde nicht befugt ist, 
ihrerseits die Entlassung aus dem Staatsverbande bis zur Berichtigung 
etwaiger Rückstände zu verweigern (zu vgl. Seydel, „Die deutsche Reichs- 
und Staatsangehörigkeit“ in Hirths Annalen, Jahrgang 1876 S. 147; 
von Rönne, Preußisches Staatsrecht, IV. Aufl., § 132 S. 27). Der Be- 
klagte durfte also nicht so, wie er es in seiner Verfügung vom 3. Juni
	        
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