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Im Wesentlichen schloß sich der erste Nichter dieser Auffassung an; namentlich hob er hervor, daß
gegenüber allen Flößern, welche nicht Nachkommen der 1561 angeblich ausgetretenen Kontrahenten gewesen
seien, selbst bei der Voraussetzung eines Vertrags ein Privatrechtstitel fehlen würde.
Dagegen bemerkie die Appellation der Klägerin:
Zu damaliger Zeit seien in Deutschland die Gewerbsgenossen korporativ in Innungen und
Genossenschaften vereinigt gewesen; annehmbarer Weise habe 1561 auch eine, wenn schon mangelhaft
organisirte Genossenschaft der Floßleute bestanden; dies folge gerade aus der Urkunde. Nachweisbar
seien Versuche, die Saalflößer zu einer förmlichen Innung zu vereinen, schon 1718 gemacht und
1819 sei eine Floßkommune mit altem Siegel aufgetreten. — Die Urkunde von 1561 zeige, daß
die damalige Regierung in Vertretung und im Auftrage der Flößer mit der Klägerin kon-
trahirt habe. Wolle man dies Vertragsverhältniß nicht annehmen, so habe doch die Staatsregierung
für ihre Person kontrahirt.
Nachdem der Beklagte diese Aufstellungen für von der Klage abweichend erklärt, auch hervorgehoben
hatte, daß das angebliche Pfändungsprivileg selbst auf einem onerosen Privatrechtstitel nicht beruht habe,
bestcale er Appellations-Richter das erste Urtheil im Wesentlichen aus den Entscheidungsgründen des
ersten Richters.
Die von der Klägerin erhobene Nichtigkeits-Beschwerde ist vom Neichs-Oberhandelsgericht verworfen
worden kraft folgender
Gründe:
Die Klage behauptet: der durch das Bundesgesetz vom 1. Juni 1870 beseitigte Floßzoll der Klägerin
habe auf einem prlvakrechtlichen, onerosen Titel beruht, nämlich auf einem Vertrage der Klägerin mit den
Saalflößern, Inhalts dessen diese für sich und ihre Nachkommen für jedes, Kahla erreichende Floß einen feslen
Geldzoll versprochen, die Klägerin aber dagegen ihr früheres Konfiskationsrecht ausgegeben und Bau und
Erhaltung einer Steinbrücke Üüber die Saale, sowie Haltung eines Rettungsseils übernommen, auch bewirkt
habe. Für den Abschluß eines solchen Vertrages hat sie sich auf eine Urkunde von 1561 berufen, indem aus
dieser jener ihr vorangegangene Abschluß resultiren soll.
n Diese Aufslellung ist von beiden Instanzrichtern verworfen, insbesondere der Appellationsrichter
at erklärt:
Die Urkunde enthalte Nichts von einem Vertrage, selbst wenn man davon absehen
wolle, daß sie nicht ersichtlich mache, welche Flößer kontrahitt haben sollten oder daß eine Flößer-
Innung kontrahirt haben könnte. Die Urkunde charakterisire sich vlelmehr unzweideutig als ein
der Stadt verliehenes nicht-lästiges Prlvileg, aber nicht als Vertrag mit der Klägerin oder als
ein solcher, den die Klägerin direkt oder durch Vermittlung des Landesherrn mit den Flößern
geschlossen hätte. —
swifchen diese Sätze ist eine Erörterung darüber eingeschoben, obwohl annehmbar sei, daß schon 1561
eine Saalflößer-Innung, also ein fähiger Gegenkontrahent existirt habe. Diese Erörterung betrifft also eine
Frage, von welcher nach dem voraufgestellten Satze abgesehen werden konnte und deren Entscheidung für die
use des Appell-Richters, daß die Urkunde von einem Vertrage Überall Nichts kund thue, ohne
ewicht ist.
Daraus folgt, daß die von der Implorantin gegen diese Erörterung erhobenen Rügen für den Erfolg
der Nichtigkeitsbeschwerde keine Bedentung haben. Daher kann ungeprüft bleiben, was die Nichtigkeitsbeschwerde
über mittelalterliche formlose Verbrüderungen und deren Rechtsfähigkeit behauptet, — zumal im Appellations=
urtel die Existenz einer solchen Flösser-Verbrüderung nicht feslgestellt und der Mangel dleser Feststellung prozessual
in zutreffender Weise nicht gerügt ist. Denn wenn die Nichtigkeitsbeschwerde hervorhebt, im Appellationsurtheil
sei der Passus der Urkunde:
Die Flößer innerhalb und außerhalb des Landes hätten „für sich und ihre Nachkommen in
den Zoll gewilligt“
omittirt, also gegen §. 5 Nr. 10 a. der Verordnung vom 14. Dezember 1833 versloßen, so übersieht sie, daß
im ersten Urtheil, auf dessen Sachdarstellung der Appell-Richter ausdrücklich verwiesen, die Urkunde von