Full text: Central-Blatt für das Deutsche Reich. Erster Jahrgang. 1873. (1)

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4. Heimath= Wesen. 
In konseqguenter Anwendung des in Sachen Dorstfeld wider Seppenrade und Harriehausen wlder 
Hannover (Central-Blatt S. 346) zur Geltung gekommenen Grundsatzes hat das Bundesamt in Sachen 
Ladenburg gegen Frankfurt a. M. am 17. November 1873 angenommen, daß die einer Ehefrau in ihrem 
unehelichen Kinde zu Theil gewordene öffentliche Fürsorge den Miterwerb des von dem Ehemanne neu erwor- 
benen Unterstützungswohnsitzes nicht hindert. Die Gründe der desfallsigen Entscheidung lauten, wie folgt: 
Die am 23. Februar 1862 in Ladenburg im Großherzogthum Baden geborene Katharina N. 
ist von dem Ortsarmenverbande Ladenburg seit dem 1. April 1872 aus öffentlichen Mitteln unter- 
stützt worden. Sie ist die uneheliche Tochter der Katharina N., welche sich am 14. Mal 1870 mit 
dem im Jahre 1838 in Vayern geborenen Gärtner KX. in Frankfurt a. M. verhetrathet hat. Letzterer 
wohnt seit dem Jahre 1864 und zwar seit dem 30. April 1870 als preußischer Unterthan in 
Frankfurt a. M. 
Der erste Nichter hat deshalb den Armenverband der Stadt Frankfurt a. M. zur Uebernahme 
der Katharina N. und zur Erstattung der für dieselbe seit dem 1. Juli 1873 verwendeten Unter- 
stützungskosten an den Kläger, den Verband Ladenburg, verurtheilt. Diese Entscheidung ist 
herechiferüge 
Der Verklagte wendet ein, daß die Katharina N. am 31. Dezember 1872 ein selbständiges 
Heimathsrecht in Ladenburg besessen und deshalb seit dem 1. Januar 1873 nach §. 65 Nr. 1 des 
an diesem Tage im Großherzogthum Baden in Krast getretenen Neichsgesetzes vom 6. Juni 1870 
in Ladenburg ihren selbständigen Unterstützungswohnsitz besitze, wenn auch ihre Mutter damals 
ihre Staatsangehörigkeit in Baden und ihr früheres Heimathsrecht in Ladenburg bereits verloren 
gehabt habe. Dieser Einwand ist jedoch unhaltbar. Er gründet sich lediglich auf §. 5 des Gotha##r 
Vertrages vom 15. Juli 1851, wonach uneheliche Kinder nach demjenigen Unterthansverhält- 
nisse zu beurtheilen sind, in welchem zur Zeit ihrer Geburt ihre Mutter stand, auch wenn sich 
später eine Veränderung in diesem Verhältnisse der Mutter zugetragen hat. Auf diesen Vertrag 
kann sich aber der Verklagte nicht berufen. Derselbe begründete nur Rechte und Verbindlichkeiten 
zwischen den kontrahirenden Regierungen. Nach § 5 desselben würde also, so lange der Vertrag 
bestand, der Staat Baden mit der im §. 6 al. 2 gedachten Einschränkung verpflichtet gewesen sein, 
die Katharina N. zu übernehmen, wenn auch ihre Mutter aufgehört hatte, badensche Unterthanin 
zu sein. Diese Verpflichtung ist, nachdem der Gotha'er Vertrag durch die Einführung des Reichs- 
gesetzes vom 6. Juni 1870 im Großherzogthum Baden den Bundesstaaten gegenüber, in denen dies 
Gesetz ebenfalls eingeführt war, seine Geltung verloren hat, weggefallen. Dagegen entschied der 
Gotha'er Vertrag nicht darüber, ob und unter welchen Bedingungen jemand an einem befstimmten 
Orte innerhalb eines Staates ein selbständiges oder akzessorisches Heimathsrecht besaß. « 
Von einem selbständigen Heimathsrechte, welches die jetzt elsjährige Katharina N. am 
31. Dezember 1872 besessen, kann nicht die Rede seln. Kinder hatten nach dem vor dem Inkraft- 
treten des Reichsgesetzes in Baden geltenden Armenpflegegesetze vom 5. Mai 1870 kein selbstän- 
diges Recht auf Arnenpftege. Minderjährige, uneheliche Kinder gehörten dem Armenverbande ihrer 
Mutter an und verblieben bei demselben so lange, bis sie selbständig den bisherigen Unterstützungs- 
wohnsitz verloren oder einen anderen erworben hatten. 
Nachdem daher das Reichsgesetz in Baden eingeführt und der Gotha'er Vertrag in dem oben 
erwähnten Umfange selne Geltung verloren hatte, theilte die Katharina N. als uneheliches Kind 
nach §. 21 des Reichsgesetzes den Unterstützungswohnsitz ihrer Mutter und letztere nach S. 15 ibid 
vom Zeitpunkte der Eheschließung den ihres Mannes. Letzterer hat aber durch den ununterbrochenen 
Aufenthalt in Franksurt a. M. in der Zeit vom 1. Juli 1871 bis 1. Juli 1873 nach §. 10 ibid. 
den Unterstützungswohnsitz an diesem Orte erworben. Der Einwand des Verklagten, daß der Lauf 
der zweijährigen Frist während der Dauer der der elfjährigen Katharina N. gewährten öffentlichen 
Unterstützung geruht habe, ist hinfällig. Denn es handelt sich hier um den Erwerb des Hülfsdomizils 
seitens des X. und dieser ist innerhalb der Erwerbsfrist nicht unterstützt worden. Zur Alimentation 
des unehelichen Kindes seiner Ehefrau war er nach bekannten Rechtsgrundsätzen nicht verpflichtet und
	        
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