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Den Großherzoglich badischen Steuer-Einnehmereien Freiburg I., II. und III. im Hauptamts-Bezirk
Freiburg und Mannheim I. und II. im Hauptamts-Vezirk Mannheim ist die Befugniß zur Ausstellung von
Uebergangsscheinen für Bier, Wein, Branntwein und Weingeist ertheilt worden.
5. Heimath-Wesen.
Ein Antrag auf Uebernahme ist nur dann in Gemäßheit des § 5 des Freizügigkeitsgesetzes gerechtfertigt, wenn
die Nothwendigkeit öffentlicher Fürsorge bereits hervorgetreten ist. So erkannt in Sachen Danzig wider
Strohdeich am 10. November 1873 aus folgenden Gründen:
Am 1. Oktober 1872 ist die unbestritten in Strohdeich ortsangehörige Wittwe B., Mutter
von 5 Kindern, deren ältestes 9 und deren jüngstes 1 ½/ Jahre u nach Danzig verzogen, und
hat daselbst als Wäscherin ihren Lebensunterhalt gefunden, ohne bisher, wie Kläger zugesteht, öffent-
liche Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Gleichwohl verlangt Kläger Uebernahme der Wittwe
B. und ihrer Kinder von dem Verklagten, indem er unter Beweis stellt, daß dieselbe hinreichende
Kräfte nicht besitze, um sich und fünf Kinder zu ernähren, und sich deshalb zur Ausweisung auf
Grund der Vorschrift im §. 4 des Freizügigkeitsgesetzes für berechtigt hält. Verklagter behauptet,
daß die Wittwe B. nicht hilfsbedürftig sei und widerspricht dem Klageantrage. Nach Vernehmung
der Zeugin B. hat die Westpreubische Deputation für das Heimathwesen den Kläger abgewiesen,
weil ein Streit über die Versagung der Aufenthaltserlaubniß nach §. 4 des Freizügigkeitsgesetzes
vom 1. November 1867 nicht zur Kompetenz der Spruchbehörden in Armensachen r— und ein
Anspruch auf Uebernahme nach §. 31 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870, F§. 5 des Freizugig-
keitsgesetzes durch das Hervortreten der Nothwendigkeit der Armenpflege bedingt erscheine, welche
vom Kläger nicht behauptet, und durch die Zeugenaussage widerlegt sei.
Kläger, welcher fristzeitig appellirt hat, bemerkt, daß der Zurückweisung einer Neu-Anziehenden
nach §F. 4 des Freizügigkeitsgesetzes die Entscheidung über die Wiederaufnahme im Bezirke des für-
sorgepflichtigen Armenverbandes vorangehen müsse, welche den Deputationen für das Heimathwesen
in Preußen zustehe, erkennt aber an, daß §. 5 des Freizügigkeitsgesetzes keine Anwendung finde,
wenn, wie im vorliegenden Falle, die Nothwendigkeit öffentlicher Unterstützung bisher nicht hervor-
getreten sei. "
Das erste Erkenntniß war zu bestätigen.
Von der nach 8. 4 des Freizügigkeitsgesetzes ihm zustehenden Befugniß, die Wittwe B. bei
ihrem Anzuge zurückzuweisen, wenn sie nicht hinreichende Kräfte besaß, um sich und ihren arbeits-
unfähigen Angehörigen den nothdürftigen Lebensunterhalt zu verschaffen, hat Kläger keinen Gebrauch
gemacht, sondern, wie die Anlage der Berufungsschrift ergiebt, dle B. drei Monate lang in Danzig
wohnen lassen, bevor er die Ausweisung bei der Polizeibehörde beantragte.
Wenn Kläger gegenwärtig Anspruch auf Uebernahme derselben und ihrer Kinder gegen den
Armenverband des Unterstützungswohnsitzes erhebt, nachdem seit dem Anzuge bis zur Klageerhebung
fünf Monate verstrichen sind, so kann er diesen Anspruch nicht auf §. 4, sondern nur auf F. 5 des
Freizügigkeitsgesetzes, resp. §. 31 des Reichsgesetzes über den Unterstützungswohnsitz gründen. Nach
diesen Gesetzesbestimmungen ist aber Verklagter zur Uebernahme der Fürsorge nicht verpflichtet, weil
ve, Nethwendigkeit öffentlicher Unterstützung in Danzig noch nicht hervorgetreten ist, wie Kläger
elbst anerkennt.