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im Diszlplinarverfahren für Abschriften oder Ausfertigungen von Schriftslücken, deren Mittheilung durch den
gewöhnlichen Geschäftsgang bedingt ist, von dem Angeschuldigten Kopialien nicht zu entrichten sind, da die Kosten,
welche durch die Anfertigung solcher Kanzleiarbeiten erwachsen, von Amtswegen aufzuwenden und mithin auf
Reichsfonds zu übernehmen sind. Dagegen werden dem Angeschuldigten die Kopialien für diejenigen Ab-
schriften etc. zur Last zu legen sein, welche ihm lediglich auf sein Verlangen ertheilt werden; denn es unterliegt
keinem Bedenken, die Ausgaben für Arbeiten dieser Art, zu deren Vornahme den Disziplinarbehörden eine Ver-
pflichtung nicht obliegt, den baaren Auslagen belzuzählen, welche der Angeschuldigte im Falle selner Ver-
urtheilung nach §. 124 des Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten, vom 31. März 1873
(Reichs- Gesetzblatt Seite 61), zu erstatten hat.
Ew. Hochwohlgeboren wollen hiernach in den Disziplinar-Untersuchungen, welche bei der dortigen
Kaiserlichen Disziplinarkammer zur Verhandlung kommen, gefälligst verfahren lassen.
Berlin, den 25. April 1874.
Das Reichskanzler-Amt.
Delbrück.
An sämmtliche Herren Disziplinarkammer-Präsidenten.
4. Militär- Wesen.
Die städtische Realschule zu Vegesack ist als Realschule zweiter Ordnung anerkannt und ihr auf Grund des
154 Nr. etc. der Militär-Ersatz-Instruktion vom 26. März 1868 die Berechtigung zur Ausstellung gültiger
Zeugnisse über die wissenschaftliche Qualifikation zum einjährigen- freiwilligen Militärdienst, mit rückwirkender
Kraft bis zum Beginne des Jahres 1874, verliehen worden.
Berlin, den 5. Mai 1874.
Das Reichskanzler-Amt.
Eck.
5. Heimath- Wesen.
In Sachen Frankfurt a. O. wider Neumark, hat das Bundesamt durch Erkenntniß vom 30. März 1874
eine Entscheidung der Brandenburgischen Deputation für das Heimathwesen reformirt, welche davon ausging,
daß die Unterbrechung der Armenpflege zugleich eine Unterbrechung der Hilfsbedürstigkeit zur Folge gehabt
habe, und daraus das Erlöschen der Fürsorgepflicht des Landarmenverbandes ableitete.
Zu Lippehne in der Neumark war am 7. November 83 der elfjährige Johann Wilhelm
Hermann B., ein Sohn des unbestritten domizillosen Arbeiters V., nach Verhaftung seines Vaters
der Fürforge des verklagten Landarmenverbandes der Neumark anheimgefallen. Am 13. Januar
entlief der Knabe seinem Pfleger in Lippehne und trieb sich bettelnd umher bis er am 26. d. Mts.
in Frankfurt a. O. wieder in Armenpflege genommen wurde. Der dortige Armenverband begehrt
Uebernahme des Knaben und Ersatz seiner Aufwendungen von dem Verklagten, ist aber auf Antrag
des letzteren von der Brandenburgischen Deputation für das Heimathwesen mit seinen Klageanträgen
abgewiesen worden, weil die jetzige Hilfsbedürftigkeit des Knaben nicht in der Neumark, sondern in
dem Bezirke des Landarmenverbandes der Stadt Frankfurt eingetreten sei. Nach der vom ersten
Richter getheilten Ansicht des Verklagten hat das Unterstützungsbedürfniß, welches zur Unterbringung
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