— 161 —
schwerde im Armenhause zu Crakau Unterkommen fand. Für die Wohnung im Armenhause hat K.
nach dem Zugeständnisse des Klägers eine monatliche Entschädigung von 2 Thlr. 5 Sgr., wenn er
dazu vermögend, zu leisten und auf die Monate November und Dezember 1873 auch wirklich bezahlt.
Aus den vom Kläger vorgetragenen, bezüglich eingeräumten Thatsachen ergiebt sich, daß K. am
24. März und am 4. August 1873 obdachlos war, weil er keine Wohnung finden konnte, daß er aber
recht wohl im Stande ist, mit dem Ertrage seiner Erwerbsthätigkeit die Miethe einer seinen Verhält-
nissen entsprechenden Wohnung zu bestreiten. Von einer dauernden Hülfsbedürftigkeit desselben kann
daher keine Rede sein. Wenn er wegen Wohnungsmangels der öffentlichen Unterstützung zur Be-
schaffung eines Obdachs trotz konstatirter voller Erwerbsfähigkeit überhaupt bedurfte, so war dieses
Unterstützungsbedürfniß jedenfalls nur ein vorübergehendes, welches so lange vorlag, als K. mit der
behaupteten Wohnungsnoth zu kämpfen hatte und eine Wohnung, deren Miethpreis für ihn er-
schwinglich war, schlechterdings nicht finden konnte. Daß dieser Nothstand viele Monate hindurch
seit dem 24. März 1873 fortbestanden habe, ist nicht ohne Weiteres vorauszusetzen — ebenso nahe
liegt die Annahme einer Säumniß, gegen welche Kläger mit den ihm zu Gebote stehenden Zwangs-
mitteln (§. 361 Z. 8 des Strafgesetzbuchs) einschreiten mußte — und wäre vom Kläger speziell
nachzuweisen gewesen, was nicht geschehen. Aus dem Vortrage des Klägers geht nicht einmal her-
vor, daß ihm aus der wohnlichen Unterbringung der Familie K. in der Zelt vom 24. März bis
4. Juli 1873 Auslagen erwachsen sind, da die vorgelegte Quittung des Gastwirths D. nur den
Empfang von 3 Thlrn. für die Zeit vom 4. Juli bis 1. Oktober 1873 bescheinigt. Wäre in den
vorhergehenden Monaten die Mlethe der Wohnung im D.'schen Hause von K. aus eigenen Mitteln
bestritten worden, so würde die Unterstützung erst zu einer Zeit eingetreten sein, wo das Hülfs-
domizil in Neustadt-Magdeburg anscheinend berelts durch zweijährige Abwesenheit erloschen war.
Demnach ist der erhobene Uebernahmeanspruch, welcher nach §. 31 des Reichsgesetzes vom
6. Juni 1870 dauernde Hülfsbedürftigkeit voraussetzt, unter allen Umständen unbegründet, während
der Anspruch auf Erstattung der Auslagen des Klägers seit dem 24. März 1873 in diesem Um-
fange der gehörigen Begründung entbehrt und wenigstens in der angebrachten Art abgewiesen
werden mußte.
Ueber den Zeitpunkt des Hervortretens der Hülfsbedürftigkeit hat sich das Bundesamt in Sachen
Pr. Eylau wider Zinten am 20. April 1874, wie folgt, ausgesprochen:
Der 16 Jahre alte, unbestritten landarme Paul K., welcher vom 6. April 1872 ab im
städtischen Krankenhause zu Zinten wegen einer chronischen Hüftgelenkentzündung ärztlich behandelt
und verpflegt worden ist, erklärte bei seiner Aufnahme, daß er bei dem Wirth B. in Quehnen,
Kreis Eylau, im Dienst gestanden habe, in diesem Dienste erkrankt und wegen seiner Krankheit am
5. April ej. a. aus dem Dienste fortgejagt worden sei. Hiermit stimmt das diensteidliche Zeugniß
des Schulzen B. in Quehnen überein, wonach Paul K. im Hause des B., bei welchem er als Hüte-
junge diente, länger als ein halbes Jahr krank zu Bett gelegen habe, und, als er sich soweit erholt,
daß er gehen konnte, aus dem Dienst entlassen worden sei. K. ist also unzweifelhaft schon in
Quehnen hülfsbedürftig geworden, denn als er krank, mittellos und erwerbsunfähig von selnem
Dienstherrn entlassen worden, war er auf fremde Unterstützung angewiesen. Der Schulze B. hat
aber ferner bekundet, daß, wenn er auch wegen Heilung und Verpflegung des K. nicht angegangen
worden, ihm doch bekannt gewesen sei, daß derselbe, als er Quehnen verließ, hülfsbedürftig war.
Er hat sogar zugegeben, daß ihm B. schon längere Zeit vor der Entlassung des K. mitgetheilt habe,
letzterer habe ein krankes Bein und werde voraussichtlich hülfsbedürftig werden, daß er in Folge
dessen den B. aufgefordert habe, den Kranken so bald als möglich zu entlassen, damit die Ver-
pflegung nicht dem Landarmenverbande des Kreises zur Last falle, und daß ihm B. dies auch ver-
sprochen habe. Aus allen diesen Umständen und wenn man überdies erwägt, daß die Annahme,
K., der sich nur mühsam und mit Krücken fortbewegen konnte, habe aus freier Wahl Quehnen ver-
lassen und einen anderen Ort zu seiner Heilung aufgesucht, aller Wahrscheinlichkeit entbehrt, und
daß B. selbst angegeben hat, er habe den Kranken entlassen, damit er sich in ein städtisches Laza-
reth begebe, geht überzeugend hervor, daß K. von B. veranlaßt worden ist, sich von Quehnen fort-
zubegeben, damit er nicht dem dortigen Armenverbande und resp. dem Landarmenverbande des Kreises