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Eine Armenunterstützung im Sinne des §. 14 cit. ist es indessen nicht, wenn arbeitsfähigen
aber mittellosen Personen die Mittel gewährt werden, sich durch ihrer Hände Arbeit besseren Ver-
dienst zu schaffen, wie dies unzweifelhaft im vorliegenden Falle durch leihweise Ueberlassung der
Nähmaschine an die Näherin St. bezweckt wurde. Denn es wird dadurch nicht ein schon vorhan-
dener Mangel des nothwendigen Lebensunterhaltes ausgeglichen, sondern dem möglichen erst zu be-
fürchtenden Eintritte aktueller Hilfsbedürftigkeit vorgebeugt. Die bereits eingetretene Verarmung
folgt auch nicht aus dem vom Kläger unter Beweis gestellten Anführen, daß es der St, nur durch
Benutzung der geliehenen Maschine möglich geworden sei, ihren Lebensunterhalt ohne weitere Unter-
stützung zu erwerben. Im Gegemheil geht daraus hervor, daß die präventive Armenpflege des
Verklagten ihren Zweck erreicht, und daß die Genannte bis zu ihrer Erkrankung im August 1872
sich selbständig wenn auch mit Hülfe der Nähmaschine ernährt hat.
Beim Eintritte der Armenunterstützung am 7. August 1872 war daher Marie St. durch zwei-
jährigen ununterbrochenen Aufenthalt nach zurückgelegtem 24. Lebensjahre, dessen vor dem 1. Juli
1871 abgelaufene Zeitdauer nach §. 65, 4 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870, verglichen mit
§. 58 der schleswig-holsteinischen Armenordnung vom 29. Dezember 1841, bei Berechnung der Er-
werbsfrist in Ansatz zu bringen ist, in Kiel ortsangehörig geworden, woraus der Ungrund des
Klaganspruches von selbst sich ergiebt.
6. Eisenbahn-Wesen.
Es ist hler begründete Beschwerde darüber geführt, daß die Publikation der Eisenbahn-Fahrpläne in vielen
Fällen unvollständlg und nicht rechtzeitig erfolge, ja daß einzelne Bahnverwaltungen die Fahrpläne durch die
Presse überhaupt nicht veröffentlichten, sondern nur bekannt machten, daß ein neuer Fahrplan herausgegeben
und in den Expeditlonen zu haben sei. Indem das Reichs-Eisenbahn-Amt auf die Notwendigkeit hinweist,
Fahrplanänderungen rechtzeitig und in einer das Publikum genügend orientirenden Form durch die geeigneten
öffentlichen Blätter zu publiziren, und die einfache Bekanntmachung über das Erscheinen eines neuen Fahrplans
für nicht ausreichend erklärt, stellt es anheim, dem bei mehreren Verwaltungen beobachteten zweckmaßigen
Brauch zu folgen, den zu publizirenden Fahrplan in einer angemessenen Anzahl Exemplare selbständig drucken
und die Druck-Exemplare den an das Publikum zur Ausgabe gelangenden Zeitungen durch Vermittelung der
betreffenden Zeitungs-Expeditionen beifügen zu lassen. .
Berlin, den 13. November 1874.
Das Reichs-Eisenbahn-Amt.
Maybach.
An die sämmtlichen Eisenbahn-Verwaltungen Deutschlands
(exkl. Bayerns).