5. Heimath-Wesen.
Die Höhe der Ersatzforderung für Krankenpflege im Stadt-Krankenhause zu Dresden war in Sachen Dresden
wider Bankwitz von der Schlesischen Deputation für das Heimathwesen ohne Rücksicht auf den regulatiomäßigen
Betrag der Vergütung nach richterlichem Ermessen festgestellt worden, unter Benutzung statistischer Nachweisungen
über den durchschnittlichen Aufwand. Das Bundesamt hat diese Entscheidung am 5. Januar 1874 bestätigt
und zur Begründung angeführt:
Im Stadt-Krankenhause zu Dresden ist zu wiederholten Malen die mit Syphllis behaftete
Augusle Pauline R. aus Bankwitz ärztlich behandelt und verpflegt worden. Kläger liquidirt für
die Verpflegung vom 23. Mal bis 25. August 1871, vom 18. September bis 13. November 1871
und vom 28. November bis 31. Dezember 1871 pro Tag 10 Sgr., für die Verpflegung vom
1. Januar bis 21. Mai 1872 aber pro Tag 12½ Sgr. auf Grund eines bestätigten Krankenhaus-
Regulatios vom 5. Oktober 1855 resp. einer nachträglichen Bekanntmachung vom 15. Dezemher
1871, in welchen die gedachten Verpflegungssätze allgemein normirt sind. Die Gesammtforderung
beläuft sich darnach unter Berechnung von (95 + 57 + 34) 186 Verpflegungstagen im Jahre
1871 und 142 Verpflegungstagen im Jahre 1872 auf 121 Thlr. 5 Sgr. In erster Instanz
ist der Verpflegungssatz auf 7½ Sgr. pro Tag ermäßigt und dem Kläger für 325 Tage die
Summe von 81 Thlr. 7 Sgr. 6 Pf. zuerkannt worden. U„
Kläger hat appellirt, weil seine Mehrforderung abgewiesen ist, Verklagter hat sich bei dem
Erkenntnisse beruhigt. "
Die in dem Regulative vom 5. Oktober 1855 bezüglich in der Bekanntmachung vom 15. De-
zember 1871 normirten Verpflegungssätze sind nach §. 27 des Regulativs bestimmt, den Aufwand
für ärztliche Behandlung und Verpflegung, namentlich für Wohnung, Beköstigung, Wäsche, ärzt-
liches Honorar, Medikamente, Abwartung u. s. w. zu decken. Eine vom Kläger zu den Akten ge-
brachte Nachweisung des wirklichen Aufwandes in den Jahren 1870 und 1871 soll jedoch darthun,
daß auch nach Ausscheidung der allgemeinen Verwaltungskosten der durchschnittliche Aufwand für
jeden Kranken pro Tag den Satz von 12½ Sgr. noch übersteige. Im Anschlusse an diese nach
Rubriken gesonderte Aufstelllung, welche in den Rubriken für Medikamente, besonderen Kuraufwand
und für Beköstigung der Kranken und Offizlanten eine durchschnittliche Ausgabe von 7 Sgr.
4½ sächsischen Pfennigen nachweist, hat der erste Richter den Aufwand excl. Verwallungskosten auf
7½ Sgr. arbitrirt.
Die Berufung des Klägers macht geltend, daß das Stadt-Krankenhaus in Dresden eine eigent-
liche Armenanstalt nicht sei, und daß auch für einheimische Arme der normirte Verpflegungssatz an
die Kasse desselben gezahlt werden müsse. Die Feststellung des ersten Richters lasse ferner un-
berücksichtigt, daß die Remuneration der nicht definitiv angestellten Hülfsärzte, die Ausgaben für
das Wärterpersonal, für Bekleidung und Wäsche, für Lagerstätten, Wasch- und Plättlöhne, Wasch-
mittel und Wirthschaftsbedürfnisse, Feuerung, Beleuchtung, Unterhaltung des Inventars etc. durch
den Hinzutritt von auswärtigen Kranken, auf welche in den Jahren 1870 und 1871 ein volles
Sechstheil aller Verpflegungstage falle, in ähnlichem Verhältniß erhöht worden seien, und daß man
daher alle diese Ausgaben nicht zu den unverrückbaren allgemeinen Verwaltungskosten im Sinne
des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 §. 30 rechnen könne.
Das erste Erkenntniß war, wie geschehen, zu bestätigen.
Wie das Bundesamt in dem Erkenntnisse vom 7. Januar 1873 in Sachen Dresden wider
Berlin (Entscheidungen Heft II. pag. 74) ausgeführt hat, enthält das obrigkeitlich bestätigte Regulativ
des Stadt-Krankenhauses zu Dresden vom 5. Oktober 1855 keinen Tarif, welcher nach §. 30
alinea 3 des Reichsgesetzes die von Armenverbänden einander zu erstattenden Beträge in Pausch-
quanten festsetzt, und kann ebenso wenig als Anhalt für das richterliche arbitrium dienen, weil die
festgesetzte Vergütung auch ärztliches Honorar und sonstige allgemeine Verwaltungskosten umfaßt
(cfr. §. 27). Das Gleiche gilt von der abändernden Bekanntmachung vom 15. Dezember 1871.