1218 Souveränität,
Mit dem Begriff des Monarchenrechts im engeren
Sinn steht der Begriff der Souveränität in gar
keiner Relation, und doch wird Souveränität und
monarchisches Prinzip so oft verwechselt.“ Die
herrschende, insbesondere von Laband und Jel-
linek (Das Recht des modernen Staats 1 (21905)
467) vertretene Lehre definiert die Souveränität
„als die Eigenschaft einer Staatsgewalt, kraft
deren sie die ausschließliche Fähigkeit rechtlicher
Selbstbestimmung und Selbstbindung hat“. —
Den gegenteiligen Standpunkt vertreten u. a. M.
v. Seydel, Der Bundesstaatsbegriff (1893), und
Bornhak, Die überstaatliche Stellung der Mon-
archen. Ihnen ist der Monarch kein Organ des
Staats, vielmehr stehe er als Herrscher, als „Sou-
verän“ über ihm. Der König leite seine Gewalt aus
keiner Rechtsquelle, er herrsche aus eigner Macht.
Demgegenüber betonen die maßgebenden Pu-
blizisten den Organ-Charakter des Sou-
veräns und erblicken im Staat selbst das
Sudlett der dem Staat eigentümlichen Ge-
walt.
Als eine Eigenschaft der Staatsgewalt, wenn
auch eine nicht notwendige, haben wir bereits oben
die Souveränität bezeichnet. Die Souveräni-
tät ist nicht gleichbedeutend mit Staats-
gewalt, sie bedeutet Oberhoheit, ist also ein
Attribut der höchsten Gewalt, welche in
einer bestimmten Machtsphäre selbständig Recht
übt, ohne von einer höheren Macht derselben Ord-
nung abhängig zu sein. Souveränität hat
demnach für den modernen Staat eine doppelte
Richtung. Nach der negativen Seite hin be-
deutet sie die Unmöglichkeit, durch irgend eine
andere Macht gegen den eignen Willen rechtlich
beschränkt werden zu können, sei diese nun staat-
licher oder nicht staatlicher Art. Tatsächliche Be-
schränkungen der souveränen Staatsmacht sind
zwar möglich, zu rechtlichen können sie aber nur
durch den eignen Willen erhoben werden. Nach
der positiven Seite hin besteht die Souveränität
in der ausschließlichen Fähigkeit der Staatsgewalt,
ihrem Herrscherwillen einen allseitig bindenden
Inhalt zu geben. Die Versuche, die Souveränität
inhaltlich zu bestimmen, beruhen, wie Jellinek
(a. a. O. 1 470) treffend ausführt, auf der Ver-
wechslung von Staatsgewalt und Souveränität.
Aus dem Souveränitätsbegriff, der rein formaler
Natur ist, folgt an sich gar nichts für den Inhalt
der Staatsgewalt. Die Zuständigkeit der Staats-
gewalt ist eine geschichtlich wechselnde. So ist
namentlich im 19. Jahrh. die Zuständigkeit der
Staatsgewalt in überreichem Maß ausgedehnt
worden, trotzdem hat die Souveränität des Staats
keine Anderung erfahren. Über die Grenzen der
Staatsgewalt s. d. Art. Staatsgewalt.
IV. Die Souveränität in den Konslitutio-
nellen Monarchien. Wenn wir den Monarchen
als Organ des Staats bezeichnet haben, insofern
auch er dem Staat dient und für ihn handelt, so
wollen wir damit sagen, daß er zwar im Staat,
staatsrechtliche. 1214.
aber an erster, höchster Stelle steht, daß er eben
das Haupt des Staats ist; er ist es, der den Staat
in Bewegung setzt und in Bewegung erhält. Alle
staatlichen Funktionen haben ihren Ausgangs= und
ihren Einigungspunkt im Monarchen. In diesem
Sinn besitzt er die Souveränität im Staat, ist er
also der Souverän des Staats, den er vertritt
und für den er tätig ist“ Wieweit diese Souverä-
nität des Monarchen geht, das hängt von der ge-
schichtlichen Entwicklung des in Betracht kommen-
den Staats ab. In den meisten heutigen Staaten
ist die Souveränität des Monarchen durch eine
Verfassung beschränkt. Diese Verfassung stellt sich
zwar formell als eine freiwillige Selbstbeschränkung
des Monarchen dar, trotzdem ist und bleibt doch
der Monarch rechtlich daran gebunden, wenn er
auch verfassungsgemäß persönlich unverantwortlich
ist für etwaige Verletzungen der Verfassung (ogl.
d. Art. Garantie, staatsrechtliche und Staats-
ministerium).
In den republikanischen Staaten liegt
die Souveränität beim Volk; der Präsident einer
Republik ist also niemals souverän, nur ausfüh-
rendes und repräsentierendes Organ des souveränen
Volks (vgl. d. Art. Volkssouveränität).
V. Die Souveränität im Bundesstaal.
Alle Staatenverbände sind entweder völkerrecht-
liche, d. h. auf völkerrechtlichen Verträgen beruhende,
oder staatsrechtliche, d. h. auf der Verfassung be-
ruhende. So ist also der Staatenbund ein Ge-
bilde des Völkerrechts, nicht des Staatsrechts.
Beim Staatenbund ist der Wille des Bundes nur
der Ausdruck des gemeinsamen Willens der Mit-
glieder, beim Staat, und zwar auch beim Bundes-
staat, ist der Wille des Staats ein über dem
Willen der Glieder stehender, ihnen gegenüber
selbständiger Wille; die ihm zustehenden Hoheits-
rechte sind nicht Rechte seiner Mitglieder, sondern
sie stehen dem Staat kraft eignen Rechts zu. So
folgern die maßgebenden Staatsrechtslehrer, daß
somit beim Staatenbund die Einzelstaatsgewalt,
beim Bundesstaat aber die Zentralgewalt sou-
verän sei.
Der Deutsche Bund von 1815/66 war nur
ein Staatenbund, also ein völkerrecht-
liches Verhältnis. Der Bund hatte keinerlei ge-
setzgebende Gewalt, weder die Bundesakte noch die
Wiener Schlußakte, noch die Bundesbeschlüsse
waren Gesetze, sondern nur Vereinbarungen über
das völkerrechtliche Bundesverhältnis der Einzel-
staaten und über die von den Einzelstaaten zu er-
lassenden Gesetze. Alles Recht war nur Landes-
recht, nicht Bundesrecht.
Anders der Bundesstaat. Dieser ist Staat,
ein Rechtssubjekt mit selbständigen, eignen Herr-
schaftsrechten behufs Durchführung seiner Auf-
gaben und Pflichten. Wenn aber der Bundesstaat
als solcher Staat ist, so erhebt sich die Frage, ob
den Gliedstaaten desselben überhaupt noch Staats-
qualität zukomme oder nicht. Die Beantwortung
dieser Frage hängt nun ab von der Stellungnahme