328 Frankreich. (April 18.—Ende.)
Tunis-Algier und der Bahn von Konstantine nach der marokka-
nischen Grenze statt. Die Reise wird auf Staatskosten ausgeführt.
Die Kosten betragen, wie sich im September herausstellt, 1,100,000 Fr.
Die Blätter fragen: Wer sie tragen werde, da das Parlament keinen Heller
dafür bewilligt habe?
18. April. Rücktritt Derouledes von der Präfidentschaft
der Patriotenliga, an seine Stelle tritt Sansboeuf.
Gegenüber dem Gerüchte, der Rücktritt sei auf eine Pression des Mi-
nisterpräsidenten und des Ministers des Auswärtigen erfolgt, erklärt Sans-
boeuf, Deroulède habe als Grund den Tod seiner Schwester und seiner Mutter
leidenden Zustand angegeben; doch bringt am 21. April der „Figaro“ eine
Unterredung mit Deroulede, worin derselbe erklärt, er habe die Präsident-
schaft der Patriotenliga niedergelegt, weil ihn die Handlungen des Minister-
präsidenten und die Akte aller politischen Persönlichkeiten, die im Augenblicke
am Ruder seien, mit Widerw llen erfüllten. Deutschland habe nichts von
Goblet und Goblet nichts von Deroulede begehrt; allein die Liga der Patrio-
ten, die immer die nationale Verteidigung sowohl in militärischer als in-
dustrieller und kommerzieller Beziehung im Auge gehabt und nie provoziert
habe, sei mißkannt worden. Die Zeit sei endlich dagewesen, wo Frankreich
der Gefahr kühn entgegenblickte; Frankreich hatte eine ernste Stütze an Ruß-
land, Italien zauderte. Noch nie sei die Gelegenheit so günstig und nie der
Reichskanzler so unverschämt gewesen, die französische Regierung aber nahm
alles hin und bereitete nichts vor gegen eine plötzliche Invasion. Und wenn
man ihnen von verlorenen Provinzen sprach, antworteten Mitglieder des
französischen Kabinets: Wir verzichten auf nichts, aber wir sind nicht bereit,
wir müssen warten, Deutschland bedurfte 60 Jahre, um Jena zu rächen.
„Da bedauerte ich,“ sagt Deroulède, „daß Ferry nicht da war; Ferry hätte
die einzige Gelegenheit für eine sichere Revanche zu erfassen gewußt.“ Derou-
lede fürchtet, daß, wenn mit der Revanche noch drei oder vier Jahre ge-
wartet wird, alles verloren ist, denn dann kommt eine neue Generation unter
die Fahnen, welche die Niederlagen von 1871 nicht gekannt und elsässischen
Boden nie betreten hat. Diese Generation werde die Rückeroberung nicht
mehr verlangen. Da er sehe, daß die Stunde der Revanche nicht Helegg,
ziehe er sich lieber zurück.
21.—Ende April. Die Verhaftung Schnäbeles (vergl.
Deutsches Reich IV, 20. u. 28.) macht auf die Pariser Bevölkerung
einen tiefen und anfänglich sehr beunruhigenden Eindruck. Auch die
leitenden Staatsmänner sind zuerst davon ganz verblüfft und es ge-
winnt die Anschauung Boden, daß es sich um eine von Deutschland
seit langer Zeit beabsichtigte Provokation handele, besonders nachdem
der Bericht des Generalprokurators von Nanch, Schnerb, als That-
sache hingestellt hat, daß Schnäbele auf französischem Boden ver-
haftet worden sei.
Ende Oktober wird ein schon früher verbreitetes Gerücht be-
stätigt, daß der Ministerrat ernstlich die Frage der Mobilmachung
erwogen und über ein an Deutschland zu richtendes Ultimatum ab-
gestimmt habe. Am 3. November meldet „Gil Blas“, daß für das
Ultimatum gestimmt hätten: der Ministerpräsident Goblet, Bou-