8 440. Die pflichtteilsberechtigten Personen. 891
a)Einem Nachkommen des Erblassers kann das Pflichtteilsrecht nur ent-
zogen werden (2333),
an) wenn er dem Erblasser oder dem Ehegatten oder einem andern Nach-
kommen des Erblassers nach dem Leben trachtet;
86) wenn er den Erblasser oder dessen Ehegatten vorsätzlich mißhandelt;
5)) wenn er sich einer schweren vorsätzlichen Straftat gegen den Erblasser
oder dessen Gatten schuldig macht;
0) wenn er die Unterhaltspflicht, die ihm gegenüber dem Erblasser ob-
liegt, böswillig verletzt;
es) wenn er wider den Willen des Erblassers einen ehrlosen oder unsitt-
lichen Lebenswandel führt.
Beispiel. A.# Töchter B. und C. haben sich einem liederlichen Lebenswandel ergeben,
die B. in so übler Art, daß sie an unheilbarer Paralyse erkrankt ist und in einem Irren-
hause ihrem Ende entgegengeht, die C. mit größerer Schonung, so daß sie ihre bisherige
Lebensart fortzusetzen in der Lage ist. Hier kann A. der C. das Pflichtteilsrecht entziehn,
der B. nicht.
6) Einem der Eltern kann das Pflichtteilsrecht nur entzogen werden,
wenn er sich eine der drei in dem Kataloge zu co# unter ga, y7), 00 genannten
Verfehlungen zuschulden kommen läßt; ehrloser Lebenswandel sowie eine
Mißhandlung des Erblassers, die kein „schweres“ Vergehn darstellt, genügt
also als Grund zur Entziehung des Pflichtteilsrechts der Eltern nicht (2334).
7) Dem Ehegatten kann das Pflichtteilsrecht nur entzogen werden, wenn
er sich einer Verfehlung schuldig macht, die den Erblasser zur Klage auf Ehe-
scheidung berechtigt (2335).
b) Die in dem Kataloge des Gesetzes aufgeführten Gründe rechtfertigen
die Entziehung des Pflichtteilsrechts nur, wenn sie gerade zu der Zeit bestanden,
zu der der Erblasser die Entziehung verfügte; sie müssen in der Verfügung
ausdrücklich angegeben werden; daß die angegebenen Gründe wahrheitsgemäß
sind, hat zu beweisen, wer sich auf die Entziehung des Pflichtteilsrechts beruft
(2336 II, III).
c) Jeder Grund, der die Entziehung des Pflichtteilsrechts an sich recht-
fertigen würde, verliert seine Kraft, sobald der Erblasser dem Berechtigten
verzeiht, mag nun die Entziehung bereits verfügt sein oder nicht; ist die Ent-
ziehung des Pflichtteilsrechts auf den ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandel
des Berechtigten gestützt, so wird sie auch ohne Verzeihung hinfällig, wenn der
Berechtigte bis zum Erbfall sich von jenem Lebenswandel dauernd abwendet
(2337, 2336 IV).
4) Die Entziehung des Pflichtteilsrechts enthält keineswegs zugleich die
Entziehung des gesetzlichen Erbrechts, also eine „Enterbung“: denn Pflichtteils-
recht und gesetzliches Erbrecht, so nahe sie miteinander zusammenhängen, sind
sehr verschiedene Dinge.
Beispiel. A.3 einzige Verwandte sind sein Sohn B. und seine Schwester C.; A. entzieht
dem B. aus triftigen Gründen das Pflichtteilsrecht und beruft als Alleinerben seine Ehefrau