Full text: Volkstümliches aus dem Königreich Sachsen auf der Thomasschule gesammelt. Zweites Heft. (2)

Volkstümliches aus dem Nachlasse von Rudolf Hildebrand. 111 
Zwei Kinder bilden ein Thor, indem sie sich die gehobenen 
Hände reichen. Die anderen fassen sich hintereinander an den 
Kleidern und kriechen während des Gesanges unter den Armen 
der beiden durch. Bei den Worten den letzten woll'n wir 
fang'n' u. s. w. senken die Thorbildner die Arme und fangen 
ein Kind. Nun haben sie vorher heimlich ausgemacht, wer 
von ihnen Engel oder Teufel ist, und sich außerdem einen 
Namen beigelegt. Jetzt muß der Gefangene sagen, zu welchem 
Namen er gehen will. Erst wenn alle gefangen und auf 
zwei Seiten verteilt sind, wird gesagt, wer die Engel und 
wer die Teufel sind. Dann zerren beide Parteien so lange, bis 
eine nachgiebt. Oder es folgt Armwiegen (unter S. 115; J, 68). 
Ganz ebenso, nur statt der Merseburger: die polnische' 
oder pol'sche Brücke singen die Kinder in Waldenburg (aber 
Z. 4 Jungfrau Tochter) in Wermsdorf, Olbernhau, Machern, 
Wurzen, Grimma, Torgau; die Altenburger Brücke in 
Chemnitz (auch die goldne), die Magdeburger in Reppichau; 
die Meißner in Dresden, auch in Abtnaundorf bei Leipzig 
(Coll. Nr. 21: „Wer hat die Meißner Brücke'gebaut? Der Gold- 
schmied, der Goldschmied Mit seiner schönen Tochter u. s. w.") 
Die goldene Brücke kommt im Erzgebirge vor, z. B. 
in Witzschdorf bei Annaberg, ferner in Pösneck, Kahla, Weida, 
Saalfeld, Sonneberg, Altenburg, Borna. — In der Lausitz: 
Die alte Dresdner Brücke, 
Wer hat sie denn zerbrochen? 
Der Goldschmied u. s. w. 
Zieht alle durch. 
In Reichenbach i. V.: 
Goldne goldne Brücke, 
Wer hat sie denn zerbrochen? 
Der Goldschmied, der Goldschmied 
Mit seiner Jungfrau Tochter. 
Kriecht alle durch, kriecht alle durch, 
Den letzten wolln wir fangen 
Mit Ketten und mit Stangen.
	        
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