112 Volkstümliches aus dem Nachlasse von Rudolf Hildebrand.
In Greiz:
(Coll. S. 272.) Wer hat die goldne Brücke hier,
Wer hat sie denn zerbrochen?
Der Goldschmied, der Goldschmied
Mit seinem goldnen Töchterlein.
Kriecht alle durch, kriecht alle durch,
Der erste kommt ins Himmelreich,
Der zweite in den Feuerteich.
Zu diesem Liede merkt Hildebrand an, daß es echter
als die andern sei. Was ist aber das wirklich Echte, der
ursprüngliche Inhalt und Sinn des Spiels? Der Gold-
schmied, der eine Brücke zerbricht, das Fangen von Engeln
und Teufeln, das Zerren zwischen beiden Parteien am
Schlusse — scheint das nicht allen Zusammenhanges zu
entbehren? Sollten hier nicht ganz andere Vorstellungen
verborgen sein, Reste aus germanischem Glauben?
Um es kurz zu sagen, es ist nicht streng erweislich,
aber wahrscheinlich, daß dem Spiele jener Mythus vom
Weltuntergange zu Grunde liegt, der wegen untermischter
christlicher Gedanken in die letzten Jahrhunderte des Heiden-
tums zu setzen ist.
Die goldene Brücke ist die glänzende Götterbrücke
Bifröst, die vom Himmel zur Erde reicht, der Regenbogen.
Sie ist außerordentlich fest, und doch, so sagen die nordischen
Lieder, wird sie einst von Muspells Söhnen zerbrochen
werden, d. h. von den Flammenmächten, die den großen
Weltbrand erregen. Aus Muspellheim, dem südlichen Feuer-
reiche, werden sie hervorbrechen, allen voran ihr Beherrscher,
der Feuerriese Surtr. Auf der Spitze seines Schwertes
trägt er die verheerende Lohe, der alles erliegen muß. Wenn
die Götter und Helden von Walhalla im Kampf gegen alle
die Unholde der Unterwelt gefallen sind, wird Surtr die
Welt verbrennen.
Von der Zertrümmerung der Brücke Bifröst wird ein
altes Lied gesungen haben. Als aber die Erinnerung ver-