Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

126 II. Reichsgesetzgebung. Art. 4. 
müssen. Durch § 104 ist bestimmt, daß Innungen, die nicht derselben Aufsichts- 
behörde unterstehen, zu Verbänden zusammentreten können; 8§ 104a—104 n 
enthalten Ausführungsvorschriften hierzu. 
Tit. VII §§ 105—139-en enthält Vorschriften über gewerbliche Arbeiter. 
§ 105 bestimmt, daß die Festsetzung der Verhältnisse zwischen den selb- 
ständigen Gewerbetreibenden und den gewerblichen Arbeitern vorbehaltlich 
der durch Reichsgesetz begründeten Beschränkungen Gegenstand freier Über- 
einkunft ist. Die §§ 105a—105b geben Vorschriften über die Sonntags- 
ruhe mit dem ausdrücklichen Vorbehalt (8 105h), daß durch die Landes- 
gesetze noch weitergehende Beschränkungen der Arbeit an Sonn= und Festtagen 
festgesetzt werden können. 88 106— 112 enthalten Bestimmungen zum be- 
sonderen Schutze jugendlicher Arbeiter gegen Ausbeutung, §§ 113—119b 
Vorschriften mit derselben Tendenz für sämtliche Arbeiter (Auszahlung 
der Löhne in Reichswährung § 115 usw.), § 120 über den Besuch der 
Fortbildungsschule durch jugendliche Arbeiter, 88 120 a—e über den 
Schutz sämtlicher Arbeiter gegen sittliche und hygienische Mißstände mit 
weitgehenden Vollmachten für den Bundesrat (8 120e Abs. 3), 88 121 
bis 125 über das Arbeitsverhältnis der Gesellen und Gehülfen, ins- 
besondere dessen Auflösung, 88 126—132 über das Lehrlingsverhältnis, im 
wesentlichen mit der Tendenz die Zwecke der Ausbildung des Lehrlings zu 
fördern und ihn vor Ausbeutung durch den Lehrherrn zu schützen, § 133 
über die Führung des Meistertitels, § 133a—f über die Arbeitsverhältnisse 
der Betriebsbeamten, Werkmeister und Techniker, 88 184—139a über das 
Arbeitsverhältnis der in größeren Betrieben beschäftigten Arbeiter ebenfalls 
mit der offenbaren Tendenz, die Arbeiter vor Ausbeutung zu schützen, ferner 
sind dort einschränkende Bestimmungen über die Verwendung von jugend- 
lichen und weiblichen Arbeitern gegeben, § 139b gibt Vorschriften über die 
staatlichen Aufsichtsbefugnisse, § 139c— m endlich Bestimmungen zum be- 
sonderen Schutze der Gehülfen, Lehrlinge und Arbeiter in offenen Verkaufs- 
stellen. 
Tit. VIII § 140 hebt die Verpflichtung der selbständigen Gewerbe- 
treibenden auf, einer Kranken-, Hülfs= oder Sterbekasse beizutreten, Tit. IX 
§ 142 läßt zu, daß Gemeinden und weitere Kommunalverbände die ihnen 
durch die Gewerbeordnung überwiesenen gewerblichen Gegenstände nach An- 
hörung der beteiligten Gewerbetreibenden und Arbeiter mit verbindlicher 
Kraft statutarisch ordnen, Tit. X 8§ 143—153 enthält Strafbestimmungen. 
§§ 154, 155 Schlußbestimmungen. 
Die gegen die mißbräuchliche Verwendung jugendlicher Arbeitskräfte 
gerichteten sozialpolitischen Tendenzen der Gewerbeordnung haben eine wichtige 
Ergänzung erhalten durch das Reichsgesetz betr. Kinderarbeit in gewerblichen 
Betrieben v. 30. März 1903 R.G. Bl. S. 1138. Danach dürfen Kinder unter 
dreizehn Jahren und Kinder, die noch zum Besuche der Volksschule ver- 
pflichtet find, in vielen Betrieben überhaupt nicht und in einer Anzahl 
anderer Betriebe nur mit stark beschränkter Arbeitszeit beschäftigt werden. 
Für die Beschäftigung eigener Kinder find die Vorschriften in einigen Be- 
ziehungen weniger streng. Die Beschränkung der Kinderarbeit beruht nur 
auf Gründen der Sittlichkeit und der Hygiene; durch dieses Gesetz ist das 
Interesse wahrgenommen, das der Staat an der geistigen und körperlichen 
Ausbildung des heranwachsenden Geschlechts hat.
	        
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