598 XI. Reichskriegswesen. Art. 63.
VII. Die Organisation der Landwehr.
VIII. Die Bestimmung der Garnisonen.
IX. Die Mobilmachung.
X. Die Mitwirkung des Ausschusses für das Landheer und die Festungen.
I. Die Abgrenzung der Kompetenz zwischen Reich und Einzelstaaten
in Ausehung des Militärwesens.
Die Bestimmungen der Reichsverfassung über diesen Punkt beruhen
auf historischen Gründen, auf der politischen Situation, die zur Zeit der
Gründung des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reichs bestand.
Hierdurch ist es zu erklären, daß die Regelung dieser Frage nicht nach einem
klaren, einfachen Gesichtspunkte erfolgte, etwa in dem Sinne, daß die Zu-
ständigkeit des Reichs entweder bejaht oder verneint wurde, sondern es liegen
zwei einander durchkreuzende Prinzipien vor, denen gegenüber die von der
Verfassung eingeschlagene Richtung einen Mittelweg darstellt. Mit dem
einen Prinzip ist dem Anspruch der Einzelstaaten auf möglichste Schonung
ihrer historisch überlieferten Rechte, mit dem anderen dem Anspruch des
Reichs auf Herstellung einer nach außen geschlossenen, für alle militärischen
Zwecke einheitlich organisierten Armee Rechnung getragen. Die Existenz
des Reichs beruht darauf, daß souveräne Staaten auf Grund ihres eigenen
und freien Willensentschlusses sich zu einem neuen Staatswesen verbündet
haben. Die Bedingung dieses Bündnifses, die in den der Gründung des
Reichs vorausgegangenen Verträgen zum Ausdruck kam, war es, daß die
staatliche Selbständigkeit der Einzelstaaten gewahrt werden sollte, und es
war beabsichtigt, auf das Reich nur diejenigen Staatshoheitsrechte zu über-
tragen, die notwendig waren, um die Einheit des Reichs nach außen und
seine militärische Macht dem Ausland gegenüber sicherzustellen und lästige
Schranken des inneren Verkehrs zu beseitigen. Das Reich bedurfte also
einer Armee, die dem Ausland gegenüber nichts davon erkennen ließ, daß
sie aus den Kontingenten verschiedener Staaten zusammengesetzt war; sie
mußte so umgeschaffen werden, wie wenn sie aus einem einzigen Guß ent-
standen wäre, um fähig zu sein, einem einzigen Willen zu gehorchen.
Andererseits würde es dem der Reichsverfassung zugrunde liegenden Prinzip
von der staatlichen Selbständigkeit der Einzelstaaten widersprochen haben,
wenn eine völlige Lossagung von dem Instrument, das wie kein anderes
für die Staatsmacht wesentlich ist, ein völliger Verzicht auf die Armee den
Einzelstaaten durch die Verfassung selbst auferlegt worden wäre. Mindestens
von den größeren Bundesstaaten hätte dies damals nicht verlangt werden
können. Die kleineren Bundesstaaten haben allerdings im Wege der Militär-
konventionen schließlich doch auf die Selbständigkeit in der Militärverwaltung
verzichtet, und die Rechte auf ihr Militärkontingent, die ihnen durch die
Verfassung übrig gelassen waren, freiwillig zum größten Teile auf Preußen
übertragen, aber es ist im Hinblick auf die allgemeine staatsrechtliche
Stellung der Einzelstaaten von großer Bedeutung, daß dieser Verzicht frei-
willig im Wege der Konvention geschehen und nicht den Einzelstaaten durch
die Verfassung aufgenötigt ist.
Das Ergebnis dieser für und gegen die Einheit des Heeres und für
und gegen die Rechte der Einzelstaaten bestehenden Erwägungen war ein
Kompromiß, das unter folgenden Bedingungen angenommen ist: Das