104 Aristokratie und Demokratie in Rom.
bestehenden Gesetze und staatsrechtlichen Bedenken hinweg-
gesetzt hat kraft der dem Volk zustehenden Souveränität.
Danach wäre Rom eine reine Demokratie gewesen. Un-
mittelbar daneben aber finden wir, daß die hohen Ämter,
die Magistratur, nicht vom Volk vergeben werden, sondern
sich selbst fortpflanzen, und daß das Volk nur die Träger
dazu designiert, und zwar das Volk in seiner militärischen
Organisation. Kompagnieweise, centurienweise treten die
Wähler an und geben offen ihre Stimme vor dem höchsten Vor-
gesetzten zu Protokoll. Wir haben also eine Demokratie unter be-
hördlicher Autorität, und wo die militärische Autorität nicht
genügte, da half die priesterliche nach. Man beobachtete bei
den Römern immer mit großer Aufmerksamkeit den Vogel-
flug, der den Alten Unglück oder Glück bedeutete, wie wir
schon aus der Ilias wissen, wo Hektor sich dagegen auf-
lehnt. Wenn ein Konsul vor der Volksversammlung steht
und merkt, daß die Volksversammlung nicht so arbeitet,
wie er es wünscht, so kann es geschehen, daß er plötzlich
am Himmel unheilverkündende Vögel erblickt. Sie waren
zwar schon weg; aber er hatte sie gesehen und mußte zu
seinem Bedauern die Volksversammlung wieder nach Hause
schicken. Oder wenn es zur Schlacht gehen sollte und es
darauf ankam, daß der Soldat Vertrauen zum Siege habe,
so hatte man dafür heilige Vögel mit in einem Käfig.
Wenn die heiligen Hühner die Körner, die ihnen vorgeworfen
wurden, begierig aufpickten, dann war das ein gutes Zeichen,
und der Augenblick für die Schlacht günstig. Wenn sie
aber keinen Appetit hatten und das Korn nicht aufnahmen,
so war das ein deutliches Zeichen, daß keine günstige Ge-
legenheit zur Schlacht war. Ein Konsul Claudius soll
einmal bei einer Seeschlacht, als die Vögel nicht fressen
wollten (der Vogelwärter hatte vielleicht die Anweisung des