Full text: Regierung und Volkswille.

106 Der Senat. 
Senat im römischen Sinne würde entstehen, wenn wir die 
sämtlichen Regierungspräsidenten, Oberpräsidenten, Gerichts- 
präsidenten, General-Superintendenten, Bischöfe, Generale 
in und außer Dienst (der römische Konsul vereinigt ja alles das 
in sich; er hat auch priesterliche Funktionen) zu einem 
großen Staatsrat vereinigen würden. Was würde eine 
solche Versammlung für eine gewaltige Autorität ausüben, 
wo alle politische Intelligenz vereinigt ist, und um so mehr 
war sie das in Rom, als mit der Zeit die strengen Kreise des 
Patriziertums sich auflösten, das Plebejertum das Recht ge- 
wann, auch in die hohen Amter gewählt zu werden und damit 
der Unterschied zwischen Patrizierium und Plebejertum sich 
allmählich verwischte! Aber das Patriziertum hält sich so 
lange, daß die neu aufkommende Oberschicht des Plebejer- 
tums ebenfalls aristokratischen Charakter annimmt. Man 
nennt diese neue Aristokratie Nobilität. Die Nobilität 
bilden also diejenigen großen Familien, die die hohen Ämter 
gewohnheitsmäßig innehaben. Sie haben sich zu diesem Zweck 
längst von Handel und Wandel, Industrie und Vermögens- 
gewinnung auf kapitalistischem Wege losgelöst und leben 
nur dem Staat — aber auch vom Staat. Der Kern der 
Nobilität ist der Senat. Man fragt schließlich gar nicht 
mehr, ob ein Mann Patrizier oder Plebejer ist, wenn er 
in ein hohes Amt kommt. Der Unterschied zwischen 
Patrizier und Plebejer verschiebt sich so sehr, daß der 
typische Vertreter der stolzen römischen Aristokratie in der 
Tradition ein Plebejer ist, nämlich Cato. Die Porcier 
sind ein plebejisches Geschlecht, das aber im Laufe der 
Generationen ganz in den Kreis der regierenden Familien 
eingetreten ist. „Senatus Populusque Romanus“ ist 
deshalb die Staatsformel, etwa wie wir sie jetzt brauchen, 
wenn es heißt: „Wir Wilhelm von Gottes Gnaden
	        
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