Full text: Regierung und Volkswille.

166 Niedergang des Deutschtums in den Städten. 
v. Rheinbaben hat es einmal als Ideal aufgestellt, um 
alle Posenschen Städte einen Kranz deutscher Bauerndörfer 
zu legen; dadurch würden die Städte germanisiert werden. 
Wie stellt man sich nun einen solchen Kranz vor? Die 
Provinz hat beinah 150 Städte. Wenn wir nun einen 
Kranz von einer Meile ringsherum nehmen, so ergibt das 
gegen 600 Quadratmeilen, das ist mehr als die ganze 
Provinz, die nur 525 Quadratmeilen umfaßt. Ein Kranz 
um alle Städte, heißt also, die ganze Provinz mit deutschen 
Bauern besiedeln. Daß das helfen würde, ist gar keine 
Frage. Man setzt sämtliche Polen hinaus und Deutsche hinein. 
Wozu dann aber die umständliche Redeweise mit dem Kranz 
deutscher Dörfer? In Wirklichkeit steht es gerade umge- 
kehrt, daß die deutschen Dörfer die Polen in die Städte 
gedrängt und diese, die ehedem vorwiegend deutsch waren, 
polonisiert haben. 
In der Schicht der selbständigen Gewerbetreibenden der Pro- 
vinz haben die Deutschen von 1895 schon bis 1907 um fast 7% 
abgenommen, die Polen um fast 6% zugenommen. Unter 
den selbständigen Handeltreibenden haben sich die Polen um 
46% vermehrt, die Deutschen sind um etwa 10% zurückge- 
gangen. In der Hochburg des Deutschtums, in Bromberg stellten 
die Polen im Jahre 1887 8 % des Handswerks, heute 24,2%. 
Man berufe sich nicht darauf, daß dieses große Koloni- 
sationswerk, an sich ein sehr großes Kulturwerk, von Bismarck 
ausgegangen sei, und sich auf seine Autorität stütze. Ich 
erinnere Sie an jene Aufzeichnung von Kardorff, durch die 
festgelegt ist, daß Bismarck durchaus innerlich dagegen ge- 
wesen ist und nur, von den Parteien gezwungen, sich dazu 
bereit gefunden hat. Auch später, bis an sein Lebensende, 
hat er in einer Reihe von öffentlichen Äußerungen die 
Ansiedlung immer als etwas ganz Verfehltes verworfen,
	        
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