Das polnische Nationalgefühl. 167
ja sogar die polnischen Bauern als zuverlässige preußische
Untertanen in Schutz genommen“).
Alle die ungewollten Folgen der schlecht durchdachten
Germanisierungs- Maßregeln, der deutschen Volksschule, des
deutschen Beamtentums, der deutschen Kolonisationen treffen
nun in einem Brennpunkt zusammen: der Aufreizung des
polnischen Nationalgefühls. Das polnische Nationalgefühl
war früher bekanntlich außerordentlich schwach und gelähmt
durch den berüchtigten polnischen Parteigeist. Die Masse
des Volks, der Bauernstand war völlig stumpf oder erfüllt
von einer Art dumpfer Dankbarkeit gegen das preußische
Königtum, dem es Befreiung aus der Hörigkeit und Eigen-
tum verdankte. Heute ist das alles ganz anders: der Partei-
geist ist unterdrückt, und in gefestetem Nationalbewußtsein
hält das ganze Volk einmütig zusammen. Was für ein
Feld für geschickte Agitatoren ist die deutsche Kolonisation!
Wie soll sich der Bauer dem entziehen, wenn ihm gesagt
wird: dem Deutschen wird diese Wohltat gegeben; er be-
kommt das Gut zum halben Wert von der Ansiedelungs-
kommission. Dein Vater hat auch 1866 für den König von
Preußen mitgefochten, dein Onkel ist in der Schlacht bei
*) Ich habe die Beweise, daß Bismarck bis an sein Lebensende die
Bauernkolonisation als Mittel der Germanisierung der Östmark ver-
worfen hat, zusammengestellt im „Neuen Deutschland“ vom 30. No-
vember 1912. L. Raschdau hat darauf erwidert mit einem längeren
Nachweis, daß Bismarck amtlich mehrfach für die Kolonisation ein-
getreten sei. Das bedurfte freilich keines Beweises, aber es soll schon
öfter vorgekommen sein, daß ein Staatsmann amtlich anders spricht als
privatim, und in diesem Falle wissen wir ja aus der Aufzeichnung von
Kardorffs (Bd. 140 d. Preußischen Jahrbüch. Seite 374), aus welchen
taktischen Gründen Bismarck es in einem gewissen Moment für geraten
hielt, die Kolonisation zuzulassen und amtliche Denkschriften in diesem
Sinne anfertigen zu lassen.
Polnisches
Nationalgefühl.