Full text: Regierung und Volkswille.

Verhältnis der Parteien zum Staat. 179 
durch die leiseste Schwankung in der Volksstimmung, durch 
jede Intrige des Führers einer Gruppe, wird das Land 
von einer Regierung zur anderen getrieben. Das ist nur 
deshalb noch nicht so sehr schädigend, weil die Parteien, die 
tatsächlich abwechseln, sich so sehr nahe stehen. Der Unter- 
schied zwischen ihnen ist manchmal kaum zu sehen. 
Aber nichts destoweniger, die Unsicherheit bleibt. 
Die Parteien sind ja nicht bloß Teile des Volkes, so 
daß man, einfach alle Parteien zusammenfassend, das Volk 
in seiner Gesamtheit hätte, sondern jede Partei ist eine 
Organisation, erfüllt von einem besonderen Geist, regiert 
von allgemeinen Prinzipien, die nicht unbedingt der Staats- 
idee untergeordnet sind. Alle Parteien haben eine gewisse 
Verwandtschaft und deshalb Sympathie mit ausländischen 
Parteien, die ähnlichen Ideen huldigen. Die Konservativen 
in Deutschland lieben naturgemäß die englischen Tories 
mehr als die Whigs, und bei manchen Parteien geht 
das so weit, daß sie als international bezeichnet werden 
können oder sich sogar selbst so nennen. Man spricht 
von einer schwarzen, roten und goldenen Internationale. 
Der Parteibegriff steht also stets in einer gewissen 
Spannung mit dem nationalen Begriff. Man spricht 
wohl bei uns von den „nationalen Parteien“, aber dieser 
Begriff hat doch nur eine relative Wahrheit. Der einzelne 
Parteimann kann unbedingt national sein, die Partei als 
solche hat immer ihr eigenes Interesse, was mit dem natio- 
nalen Interesse nicht unbedingt zusammenfällt. Der Begriff 
der „nationalen Parteien“ in Deutschland ist deshalb auch 
sehr unsicher abgegrenzt: manche rechnen das Zentrum und 
die Freisinnigen dazu, manche nicht; manche behaupten, daß 
auch die meisten Sozialdemokraten im Herzen sehr gute 
Deutsche seien, und zuweilen behaupten diese es sogar selber. 
Wesen der 
Parteien.
	        
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