22 Üble Wirkungen der Wahl-Regierung
eigenen Abstimmungen. „Die Republik war schön,“ hat
man gesagt, „unter dem Kaiserreich.“ Man beschuldigt die
Deputierten des Mißbrauchs ihrer Gewalt, und der Name
„Panamist“, der sich für parlamentarische Korruption als
technischer Ausdruck in der Weltliteratur eingebürgert hat,
stammt von riesigen Bestechungen, durch die einst die
Panamakanal- Gesellschaft die französische Deputiertenkammer
mehrfach zu Änderungen des Gesetzes über diese Gesellschaft
veranlaßte. Die Deputierten haben sich vor einigen Jahren
ihre Diäten von 9000 Franks jährlich auf 17000 erhöht
und schließlich auch noch 6000 weitere Franks als Gehalt
für einen Privatsekretär hinzugefügt. Der Spitzname für
einen Deputierten ist deshalb „Un quinze mille“. Vor
einiger Zeit ging einmal eine Anekdote durch die Zeitungen,
ein Deputierter habe auf einem Omnibus Streit bekommen,
seine Autorität herauskehren wollen und sich als Mitglied
des gesetzgebenden Körpers bekannt. Aber statt damit
Eindruck zu machen, habe sich das Publikum fofort gegen
ihn gewandt: „Un quinze mille! Un quinze millel A la
portel! la portel“ und ihn hinausgeworfen. Anatole
France, der genialste Schriftsteller des heutigen Frankreich,
hat in einem seiner reizenden symbolischen Romane, in
denen er die Geschichte Frankreichs persifliert, von dem
Staate, den er dem Leser vorführt, gesagt, man nenne dort
die Erwählten des Volkes mit verschiedenen Namen: „De-
putierte“, „Abgeordnete“, „Gesetzgeber“, „Volksvertreter“,
oder auch — dieser Name sei aber weniger beliebt —
„Gauner“. Dergleichen Geschichtchen sind natürlich keine
Beweise. Aber der Kampf um den Proporz hat Stimmen
laut werden lassen, die uns nicht daran zweifeln lassen
können, daß das bisherige Wahlsystem in der Tat recht üble
Früchte gezeitigt hat. Der Vorkämpfer für die Einführung