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immer neue unerfreuliche Erscheinungen hervor. Daß der
Proporz eine Verfeinerung und insofern eine Verbesserung
des Repräsentativsystems enthält, ist unleugbar. Aber gerade
diese Verfeinerung, die den persönlichen Wünschen und Be-
strebungen des Einzelnen gerecht werden will, führt nun
wieder zu einer Herauskehrung einzelner Wünsche, die mit
dem Wohl des Ganzen, auf das doch die Wahl gerichtet
sein soll, nichts mehr zu tun haben und ihm direkt ent-
gegenwirken. In Hamburg bildete sich bei einer Wahl aus
irgendeinem bestimmten Anlaß eine besondere Gruppe der
Schneider, die durch Häufung ihrer Stimmen auf einen
besonderen Kandidaten ihr besonderes Interesse wahrzu-
nehmen trachteten. Diese Schneider aber waren wohl mehr
Konfektionäre und die Vereinigung hatte einen jüdischen
Charakter. Sofort trat ihnen wieder als eine besondere
Gruppe die Vereinigung der antisemitischen Schneider ent-
gegen. In Württemberg hat man geklagt, daß der Proporz
die Hoffnung, die ganze Masse der Bürger an die Wahl-
urne zu führen, sich nicht erfüllt habe; nicht mehr als etwa
60 % der Wähler seien gekommen. Mit allerhand Kunst-
stücken aber suchten die Kandidaten Interessenten für sich
einzufangen, indem sie besondere Listen drucken ließen, auf
denen ihr Name mit dem irgendeiner derartigen Interessenten-
gruppe verbunden war. An die Hundebesitzer zum Beispiel,
die ja nicht bloß wegen der Steuer, sondern auch wegen
des Maulkorbs ein besonderes Interesse haben, wurde ein
eigener Aufruf gerichtet, um ihr Wohlwollen für einen be-
stimmten Kandidaten zu gewinnen.
Dem Geiste des Proporzes widerspricht das keineswegs.
Es ist ja gerade die Absicht dieses Instituts, alle im Volke
vorhandenen Bestrebungen auch wirklich in der Volksver-
tretung zur Geltung kommen zu lassen. Aber daß diese Art,