Full text: Regierung und Volkswille.

26 Proporz. 
immer neue unerfreuliche Erscheinungen hervor. Daß der 
Proporz eine Verfeinerung und insofern eine Verbesserung 
des Repräsentativsystems enthält, ist unleugbar. Aber gerade 
diese Verfeinerung, die den persönlichen Wünschen und Be- 
strebungen des Einzelnen gerecht werden will, führt nun 
wieder zu einer Herauskehrung einzelner Wünsche, die mit 
dem Wohl des Ganzen, auf das doch die Wahl gerichtet 
sein soll, nichts mehr zu tun haben und ihm direkt ent- 
gegenwirken. In Hamburg bildete sich bei einer Wahl aus 
irgendeinem bestimmten Anlaß eine besondere Gruppe der 
Schneider, die durch Häufung ihrer Stimmen auf einen 
besonderen Kandidaten ihr besonderes Interesse wahrzu- 
nehmen trachteten. Diese Schneider aber waren wohl mehr 
Konfektionäre und die Vereinigung hatte einen jüdischen 
Charakter. Sofort trat ihnen wieder als eine besondere 
Gruppe die Vereinigung der antisemitischen Schneider ent- 
gegen. In Württemberg hat man geklagt, daß der Proporz 
die Hoffnung, die ganze Masse der Bürger an die Wahl- 
urne zu führen, sich nicht erfüllt habe; nicht mehr als etwa 
60 % der Wähler seien gekommen. Mit allerhand Kunst- 
stücken aber suchten die Kandidaten Interessenten für sich 
einzufangen, indem sie besondere Listen drucken ließen, auf 
denen ihr Name mit dem irgendeiner derartigen Interessenten- 
gruppe verbunden war. An die Hundebesitzer zum Beispiel, 
die ja nicht bloß wegen der Steuer, sondern auch wegen 
des Maulkorbs ein besonderes Interesse haben, wurde ein 
eigener Aufruf gerichtet, um ihr Wohlwollen für einen be- 
stimmten Kandidaten zu gewinnen. 
Dem Geiste des Proporzes widerspricht das keineswegs. 
Es ist ja gerade die Absicht dieses Instituts, alle im Volke 
vorhandenen Bestrebungen auch wirklich in der Volksver- 
tretung zur Geltung kommen zu lassen. Aber daß diese Art,
	        
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