Full text: Regierung und Volkswille.

 
36 Abstimmung über die Invaliditäts-Versicherung. 
Abstimmung der Entwurf unzweifelhaft mit erdrückender 
Majorität zurückgewiesen worden. Im Reichstag gewann 
er schließlich noch eine Majorität von zehn Stimmen, indem 
Bismarck persönlich im Reichstag erschien und das ganze 
Gewicht seiner Autorität in die Wagschale warf. Aber 
zehn Nationalliberale stimmten aus liberalem Doktrinarismus 
dagegen, und die Majorität kam schließlich nur dadurch 
zustande, daß 13 Mitglieder des Zentrums, unter Führung 
des Freiherrn von Franckenstein, sich von der Majorität der 
Fraktion loslösten, Windthorst den Gehorsam aufsagten und 
mit Ja votierten. Ich erinnere mich noch heute der un- 
geheuren Spannung, mit der das Ergebnis der Abstimmung, 
das bis zum letzten Augenblick schwankend blieb, erwartet 
wurde. Die namentlichen Abstimmungen im Reichstag 
werden ja nach dem Alphabet vorgenommen, und der Zufall 
wollte, daß der Buchstabe , der zuletzt an die Reihe kam, 
lauter Ja brachte. 
Wäre das Gesetz damals gefallen, so wäre es für alle 
Zeit in Deutschland mit dieser Politik vorbei gewesen. Denn 
die Lasten, die es auferlegt, sind nicht gering, und je länger 
man über das Gesectz in der Presse und in den Ver- 
sammlungen diskutierte, desto weiteren Kreisen wurde es 
klar, was sie auf sich zu nehmen hatten, und desto stärker 
wurde also die Opposition. Nicht mit, sondern gegen den 
Volkswillen ist, so kann man mit Bestimmtheit sagen, 
dieses Gesetz, das seitdem allen Völkern der Welt zum 
Muster geworden ist, geschaffen worden. Ein Referendum 
hätte es unweigerlich zu Falle gebracht. 
Nach dem Gesagten wird es nicht mehr wundernehmen, 
 in daß es in England die Konservativen gewesen sind, die das 
 
Referendum in Vorschlag gebracht haben. Jahrhundertelang 
sind Oberhaus und Unterhaus als gleichberechtigte Faktoren
	        
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