72 Selbstergänzung der Regierenden.
auf einige 60% erhöht, in allerletzter Zeit auf etwas
über 80%; es fehlen also selbst heute immer noch
ein gutes Sechstel*). Ohne Wahlorganisation und die
damit zusammenhängende Agitation ist überhaupt eine
Wahl, die einigermaßen die Massen repräsentiert, nicht
durchzuführen. Das wird von keinem Erfahrenen und
keiner Partei bestritten werden. Sofort aber ergibt sich
daraus, daß nun diejenigen Persönlichkeiten, die die Wahl-
organisation in der Hand haben und die Angitation be-
treiben, auch schließlich die Wahl bestimmen. Dem
Volke wird der Kandidat suggeriert und dann wird durch
die Organisation die Wahl durchgeführt. Die Wahl-
organisationen sind natürlich in der Hand der Parteiführer
und ihrer zuverlässigsten Anhänger. Diese sorgen dafür,
daß immer wieder nur ihre Anhänger entweder ins Parla-
ment oder in die leitenden Stellen der Wahlorganisation
kommen. Die anscheinende Volkswahl ist also in Wirklich-
keit eine Selbstergänzung der im Laufe der geschichtlichen
Entwicklung einmal zur Gewalt gelangten Gruppen, und
das ist auch der Grund, weshalb die Selbständigkeit der
Abgeordneten fast völlig aufgehört hat und sie in strengster
Disziplin verpflichtet sind, so zu stimmen, wie es die
Parteileitung, die Frontbank, wie es in England heißt, vor-
schreibt**).
*) Lowell II, 73 stellt die Stimmzahlen für die englischen Wahlen
zusammen. Die Beteiligung schwankt bedeutend. In England stimmten
im Jahre 1906 etwa 80%. 1895 stieg die Beteiligung in den
wallisischen Städten auf 86,6 % und sank 1900 wieder auf 72,3 %.
Die geringste Beteiligung hatten bei diesen Wahlen die wallisischen
Grafschaften mit 62,8% und London mit 65,1 %.
**) Lowell l, p. 534 stellt fest, daß der Kaukus einst gegründet
wurde, um ein wahrhaft demokratisches Regiment zu organisieren. Der
große Volksverein sollte den Liberalismus im Volke repräsentieren und