Full text: Regierung und Volkswille.

Einfluß des Volkes in Deutschland. 87 
kann, wie weit wirklich der Wille der Millionen einzelner 
Wähler bei den Wahlen den Ausschlag gibt. Die radikalen 
Kritiker sind ja, wie ich vorgetragen habe, so weit gegangen, 
zu behaupten, daß das Volk überhaupt ausgeschaltet sei; 
in Wirklichkeit sei das Wählen die Mache von Demagogen, 
die dem Volk einen blauen Dunst vormachten. Das ist 
offenbar zu viel behauptet. Denn immerhin müssen diese 
Demagogen so geschickt sein, daß sie die Massen bei den 
Wahlen hinter sich herziehen, und immer muß darauf 
Rücksicht genommen werden, daß, wenn man die Massen 
gegen sich erregte, sie zu der konkurrierenden Partei über- 
gehen würden. Darum besteht, um es zu wiederholen, in 
England die stärkste Einwirkung, die das Volk ausübt, 
nicht sowohl in der Abgabe der Wahlzettel als in der 
Besorgnis der regierenden Männer, die aus Ehrgeiz, des 
Vorteils wegen und auch aus Überzeugung die Regierung 
zu behalten wünschen und nach ihren Ideen den Staat 
lenken wollen. Wenn sie eine starke Stimmung gegen sich 
erregen, werden viele Wähler aus ihrer Partei übergehen 
in die andere, und somit würde die Regierung in andere 
Hände kommen. Es handelt sich, wie wir gesehen haben, 
umgar nicht viele, die bei einem solchen Wechsel den Aus- 
schlag geben. Ich gebe also auf die Frage, wo das Volk 
einen stärkeren Einfluß auf die Gesetzgebung hat, in Eng- 
land oder bei uns, keine positive Antwort. Es hat ihn offen- 
bar in England; es hat ihn offenbar auch bei uns. Wenn 
im allgemeinen die Meinung herrscht, daß England ein 
mehr populares Regiment habe als Deutschland, so ist darin 
etwas Wahres, aber nicht eigentlich in bezug auf die Ge- 
setzgebung. Diese Meinung ist in der Hauptsache darauf 
zurückzuführen, daß der ganze Staatsorganismus in Eng- 
land viel lockerer ist als bei uns. Wir haben den ungeheuer
	        
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