Full text: Regierung und Volkswille.

Athen. 89 
Verfassung eingeführt durch den Alkmäoniden Kleisthenes, 
also durch den Sohn eines der vornehmsten aristokratischen 
Geschlechter Athens, der sich an die Spitze der Demokratie 
gestellt hatte. Wie sieht nun diese Demokratie aus? Die 
entscheidende Behörde ist die allgemeine Volksversammlung. 
Die allgemeine Volksversammlung ist aber bis auf einen 
gewissen Grad eine Fiktion. Die athenische Bürgerschaft 
wird damals etwa 25 000 Mãnner stark gewesen sein. So viel 
können auf einem Fleck überhaupt nicht zusammenkommen 
und von einer Stelle nicht gleichmäßig angesprochen werden. 
Schon zu 10000 Menschen gleichzeitig zu sprechen, erfordert 
eine ganz gewaltige Stimme, und es läßt sich kaum eine 
längere Rede zu einer so großen Menge halten. Schon zu 
4—5000 in einer längeren Auseinandersetzung zu sprechen, 
ist sehr schwer, und daß die Menge mehrere Stunden einer 
Diskussion folgt, ist nahezu ausgeschlossen. Sie wird schon 
zu unruhig, um zu verstehen. Eine Volksversammlung 
von 3000 Personen ist schon sehr groß. Wenn also einfach 
die Souveränität auf die Volksversammlung in Athen über- 
tragen wurde, so war da von vornherein die Voraussetzung, 
daß immer nur ein kleiner Teil, nicht entfernt auch nur 
die Hälfte der Bürgerschaft, sich dazu einfand. Es war 
auch geographisch unmöglich, daß sie sich alle versammelten. 
Denn die Grenzorte von Attika sind 7—6 Meilen 
von der Hauptstadt entfernt. Man wird nicht erwarten 
können, daß der kleine Weinbauer oder Köhler einen oder 
zwei Tage lang marschiert, und dort mal die Hand aufzu- 
heben, für dies oder jenes zu stimmen um dann wieder nach 
Hause zu pilgern. Eine Verfassung, die der Versammlung 
in der Hauptstadt die Entscheidung gibt, legt sie also ganz 
vorwiegend in die Hand der Staatsbürger, die in der 
Hauptstadt wohnen. Um das auszugleichen und dem Gros
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.