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schaft den fraglichen Simulanten zu überlisten oder zu ermüden. Sie sind heut—
zutage entbehrlich, jedenfalls unsicher, selbst inhuman und gefährlich, da, solange
sie zur Anwendung gelangen, die Frage der Geisteskrankheit eine offene ist, häufiger
Geisteskranke für Simulanten gehalten werden und wurden, als umgekehrt
und einem wirklich Kranken damit erheblicher Schaden an seiner Gesundheit zugefügt
werden kann.
Lit.: Neumann, Anrzt u. Blödfinnigkeitserklärung, Breslau 1847. — Flemming, Patho=
logie u. Therapie d. Psychosen, Berlin 1859 S. 437. — Mittermaier, Friedreich's Blätter, 1863
u. 1867. — Schlager, Oesterr. Zeitschr. f. prakt. Heilkunde, 1867 Nr. 12—14; u. Wien. med.
Zeitung, 1876 Nr. 6—16. — Friedel, Deutsche Ger. Ztg., 1867, 2. — Liman, Acchiv f.
Pfychiatrie, 1868 I. — Mundy, Oesterr. Ztschr. f. prakt. Heilkunde, 1868 Nr. 4—21. —
Zippe, Wien. med. Presse, 1873 Nr. 51, 52. — v. Krafft, Lehrb. d. ger. Psychopathologie,
1875 S. 30. v. Krafft-Ebing.
Expropriation. Der Rechtszustand in Preußen war bis auf die neueste
Zeit ein sehr bunter. Denn ganz abgesehen von den in den Gesetzen über das
Eisenbahnwesen (1838), über das Deichwesen (1848) und über das Bergwesen
(1865) enthaltenen Spezialbestimmungen, standen die Gebiete des Landrechts, des
Gemeinen Rechts und des Code unvermittelt neben einander. Die Nothwendigkeit
einer einheitlichen Gesetzgebung für Enteignung machte sich aber um so fühl-
barer geltend, je lückenhafter und unzweckmäßiger die in den verschiedenen Landes-
theilen geltenden Normen größtentheils waren; indessen hat ein im Jahre 1864 im
Justizministerialblatt aus Anlaß mehrfacher Anträge seitens des Landtags veröffent-
lichter Entwurf eines allgemeinen E.bSgesetzes eine weitere unmittelbare Folge nicht
gehabt. (Vergl. Preuß. Anwaltszeitung, 1865, S. 136 ff.; 1866, S. 515 ff.;
Deutsche Gerichtszeitung, 1865, S. 73 ff.) Durch den Erwerb der neuen Landes-
theile ist dann die ganze zum Theil sehr komplizirte Gesetzgebung von Hannover,
Schleswig-Holstein, Kurhessen, Großherzogthum Hessen, Landgrafschaft Hessen,
Nassau, Frankfurt und Bayern hinzugekommen. Die Staatsregierung hat auch
bereits 1868 dem Herrenhause einen Gesetzentwurf vorgelegt, der dort zwar erledigt
wurde, in der Kommission des Abgeordnetenhauses aber liegen blieb. Die im
Jahre 1869 gemachte Vorlage wurde im Herrenhause abermals erledigt, während
es im Abgeordnetenhause zwar zu einer Berichterstattung an das Plenum, zu
einer Plenarberathung aber nicht kam. Die dritte, dem Abgeordnetenhause zuerst
gemachte Vorlage 1871 führte wieder nur zu einem Kommissionsbericht, nicht aber
zu einer Plenarberathung. Die vierte, gleichfalls dem Abgeordnetenhause zuerst
gemachte Vorlage 1872 gelangte dort nicht einmal zur ersten Berathung. Erst die
fünfte Vorlage, die 1873 dem Abgeordnetenhause gemacht wurde, führte zu dem
Gesetze über die Enteignung von Grundeigenthum vom 11. Juni 1874. Dasselbe
enthält im Akt. V besondere Bestimmungen über die Entnahme von Wegebau-
materialien, wozu das Herrenhaus die Anregung gegeben hatte, wogegen die weitere
Anregung des Herrenhauses, die Bestimmungen über die Anlegung von Straßen
und Plätzen hier aufzunehmen, keine Folge gehabt hat, indem diese ursprünglich in
den Entwürfen der Wegeordnung enthaltene Materie durch das sogen. Flucht-
linien-Gesetz vom 2. Juli 1875 geregelt ist. Die ursprünglich in den Entwürfen
des Enteignungsgesetzes enthaltenen besonderen Bestimmungen über vorübergehende
Beschränkungen des Grundeigenthums seitens der Militärverwaltung haben schon
vor Abschluß des Enteignungsgesetzes auf dem Wege der Reichsgesetzgebung ihre
Erledigung gefunden (Rayongesetz v. 21. Dezbr. 1871).
Die Lehre der E. zerfällt nach ihren beiden Hauptmomenten in die Lehre von
der Abtretung und in die Lehre von der Entschädigung.
I. Die Abtretung. Bei der Abtretung handelt es sich um dreierlei: um
die Genehmigung des Unternehmens, um die Feststellung des Enteignungsplans,
und um die Vollziehung der Enteignung.