Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Arzneimittel (Verkehr außerhalb der Apotheken) 
  
und den dazu gehörigen Reklameschriften und Ge- 
brauchs Anw von einigen Großfirmen an Krämer, 
Barbiere, Wirte, Handwerker usw. geliefert, die 
dadurch zur Kurpfuscherei veranlaßt werden und 
infolge ihrer gänzlichen Unkenntnis der Be- 
schaffenheit und Wirkungsweise der von ihnen ver- 
kauften A das Leben und die Gesundheit der Be- 
völkerung in hohem Grade gefährden. Durch 
Rundschreiben des RK v. 1. 8. 98 sind die Bundes- 
Reg auf diese Gefahr aufmerksam gemacht und 
um strenge Ueberwachung der Schrankdrogerieen 
ersucht; demzufolge ist auch in allen Bundesstaaten 
eine entsprechende Anordnung getroffen. 
Liegt gegen eine Drogenhandlung der be- 
ründete Verdacht vor, daß in ihr dem freien 
erkehr nicht überlassene A feilgehalten oder AB 
angefertigt werden, und hat die Besichtigung 
in dieser Hinsicht zunächst ein negatives Resultat 
ergeben, so kann auf Grund der §§5 102 und 105 
St PO eine Durchsuchung auch anderer, an- 
geblich nur zum Privatgebrauch dienender Räume 
vorgenommen werden, zu deren Anordnung und 
Leitung jedoch nur der Vertreter einer Orts Pol- 
Behörde berechtigt ist, der die Eigenschaft als 
Hilfsbeamter der Staatsanwaltschaft besitzt. Die 
Vorlage von Geschäftspapieren, Büchern, Rezep- 
ten usw. können die Revisoren nicht verlangen 
(O#VG). Unechte, verdorbene, verunreinigte 
oder der Gesundheit schädliche sowie dem 
freien Verkehr nicht überlassene A und Agßube- 
reitungen sind zu vernichten oder als Be- 
weismittel der Uebertretung zu beschlag- 
nahmen (§ 94, 98 u. 107 St PO). Eine 
Einziehung der beschlagnahmten A ist da- 
gegen nicht zulässig; nach Aburteilung des Falles 
und ihrer späteren Freigabe ist es vielmehr Sache 
der Polizei, dafür zu sorgen, daß dem Firmeninha- 
ber die Möglichkeit genommen wird, über das be- 
treffende Mittel in einer den betreffenden Vor- 
schriften widersprechenden Weise zu verfügen. 
Behufs Beseitigung der vorgefundenen Mängel 
hat die Orts Pol Behörde die erforderlichen An- 
ordnungen zu treffen und deren Durchführung 
zu kontrollieren, erforderlichenfalls durch Nach- 
revisionen; ihr fallen auch die Kosten der Revision 
ur Last. Bei gröberen Verstößen ist Bestra- 
in anng auf Grund des § 367 Nr. 3 StGB zu ver- 
anlassen oder, namentlich im Wiederholungsfall 
und unzuverlässigen Inhabern gegenüber, das 
Verfahren wegen Untersagung des Handels 
mit Drogen und chemischen Präparaten, die zu 
Heilzwecken dienen, gemäß § 35 Abs 4 GewO 
(Novelle v. 6. 8. 94) einzuleiten. Danach ist eine 
solche Untersagung zulässig, wenn die „Handha- 
bung des Gewerbebetriebes Leben und Gesund- 
heit von Menschen gefährdet“; es ist jedoch nicht 
nötig, daß ein Schade bereits eingetreten ist, son- 
dern es genügt schon, wenn aus der Unzuver- 
lässigkeit des Geschäftsinhabers und aus der Hand- 
habung des Betriebes erhellt, daß dadurch eine 
solche Gefährdung zu befürchten steht (OV). 
Diese Untersagung ist jedoch nur betreffs des 
Handels mit A, die zu Heilzwecken dienen, zu- 
lässig; es kann demzufolge nicht Untersagung des 
ganzen Betriebes einer Drogenhandlung erfolgen, 
der Inhaber ist vielmehr berechtigt, den Handel 
mit allen übrigen Drogen und chemischen Präpa- 
raten fortzusetzen. Nach § 35 Abs 5 hat die Klage 
auf Untersagung des Gewerbebetriebes die Orts- 
  
Pol BBehörde im Verw Streitverfahren zu erheben, 
nachdem sie den Geschäftsinhaber zur Einstellung 
des Betriebes aufgefordert hat, und dieser der Auf- 
forderung nicht nachgekommen ist. Sie ist hierzu 
schon befugt, wenn sich bei Prüfung der Anmel- 
dung Tatsachen ergeben, welche die Unzuverlässig- 
keit des Geschäftsinhabers in Bezug auf seinen Ge- 
werbebetrieb dartun. Die Wiederaufnah- 
me des untersagten Betriebes kann von der Lan- 
deszentralbehörde oder einer anderen von ihr zu 
bestimmenden Behörde (in Preußen: Landrat, 
städtische Pol Verw, in Bayern: Distrikts Verw- 
Behörde) gestattet werden, sofern seit der Unter- 
sagung mindestens ein Jahr verflossen ist (§ 35 
Abs 5 GewO). Wird von den Drogenhändlern 
das „Rote Kreuz auf weißem Grunde“ auf 
dem Firmenschilde, den Umhüllungen der Absatzge- 
fäße oder auf den Geschäftspapieren usw. geführt, so 
ist auf Grund des RG v. 22. 3. 02 betreffend 
Schutz des Genfer Neutralitätszeichens dagegen 
einzuschreiten (Geldstrafe bis 150 M.). 
Soweit in den Drogenhandlungen auch Gifte, 
Geheim= und Reklamemittel usw. feilge- 
halten werden, finden die besonderen Vorschriften 
über den Verkehr mit diesen Artikeln Anwendung 
ls. Geheimmittel, Giftverkehr). Erwähnt zu wer- 
den verdient noch, daß in verschiedenen preußi- 
schen Reg Bezirken sowie in mehreren anderen. 
deutschen Bundesstaaten, die Ankündigung 
von Heilmitteln, soweit sie dem freien Verkehr 
nicht überlassen sind, durch Pol V verboten, und ein 
solches Verbot rechtsgültig ist, auch Ap und Groß- 
betrieben gegenüber (KG). Desgleichen kann auf 
Grund des §# 4 des Gesetzes zur Bekämpfung des 
unlauteren Wettbewerbs v. 24. 5. 96 
(ietzt v. 1. 6. 09) gegen die Ankündigung von A 
eingeschritten werden, wenn diesen in prahleri- 
scher und übertriebener Weise eine Heilwirkung 
gegen alle möglichen Krankheiten zugeschrieben 
wird. 
5. Schutzgebiete 1). Bestimmungen über 
den Verkehr mit A außerhalb der Ap sind bis 
jetzt nur in Kiautschou (Kol.Ges. Geb. V, 217. 
VI, 579 und VI, 601) und Südwestafrika (nicht 
veröffentlicht) erlassen worden. 
Die für Kiautschou erlassene Vorschrift 
(&* 7 der V) lehnt sich an die in Deutschland be- 
stehenden Bestimmungen an. Die für Süd- 
westafrika gültige V des Gouverneurs v. 
1. 1. 1901 verbietet das Feilhalten und Inverkehr- 
bringen von Geheimmitteln und gibt diejenigen 
2 an, welche ohne ärztliche Anweisung von ein- 
zelnen hierzu besonders ermächtigten Firmen und 
Personen verkauft werden dürfen. Sie enthält 
Vorschriften über die Art der ABehältnisse, über 
Signieren der A, Besichtigungen der Verkaufs- 
stellen und Strafbestimmungen. Nach einer vom 
Gouverneur von Samoa erlassenen Bek v. 
1. 3. 09 ist vom 1. 1. 10 ab der Vertrieb derjeni- 
gen Präparate, welche nach der Kais. V nur in 
Ap verkauft werden dürfen, ohne besondere Er- 
laubnis sämtlichen Geschäftstreibenden in einem 
noch zu beschreibenden Bezirke untersagt. In den 
übrigen Schutzgebieten werden A ohne Rücksicht 
auf ihre Wirkung von Kaufleuten, Faktoreien, 
Missionaren usw. teils für ihren eigenen Betrieb, 
teils als Handelsware geführt. 
1) Bearbeitet von Adlung (oben S 148 1).
	        
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