Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

sich nur gegen den zu zwingenden Staat und dessen 
Interessen wende. Der außerordentliche Zustand, 
der durch den Krieg mittelbar auch für dritte un- 
beteiligte Staaten und deren Angehörige ge- 
schaffen wird, bringt es mit sich, daß auch die ein- 
zelnen kriegerischen Maßregeln in Bezug auf die 
Nichtbeteiligten Wirkungen äußern, die vielfach 
nicht vermieden werden können. Um deswillen 
ist vom rechtlichen Standpunkt gewiß die Forde- 
rung gerechtfertigt, daß die Anwendung solcher 
über den legitimen Zweck hinausgreifender Maß- 
regeln auf jene Verhältnisse beschränkt bleiben, 
in welchen die spezifische Voraussetzung ihrer An- 
wendung, d. i. der Kriegszustand vorhanden ist. 
Dazu kommt, daß erfahrungsgemäß die Friedens- 
B. vielfach nicht geeignet ist, den Streitfall defi- 
nitiv zu beseitigen, sondern tatsächlich zu ernsteren 
Verwicklungen führt, an die sich endlich der Aus- 
bruch des Krieges anschließt. Erwägungen dieser 
Art lassen die Zulässigkeit der Friedens B. jeden- 
falls zweifelhaft erscheinen. Im übrigen ist eine 
Reihe von Streitfragen über den Umfang der 
durch diese Maßregel herbeigeführten Wirkungen 
entstanden. Das Institut de droit international 
akzeptierte die Ergebnisse der Praxis, die auf der 
Ueberzeugung von der Zulässigkeit der Maßregel 
beruhen, und formulierte eine Reihe von Grund- 
sätzen. Die B. muß effektiv und notifiziert sein. 
Die sistierten Schiffe sollen lediglich sequestriert 
werden und sind nach Aufhebung der B. den 
Eigentümern mit der Ladung zurückzugeben, und 
zwar ohne Entschädigung (Annuaire de l’Inst. 
de dr. intern. IX p. 275 sq). Dagegen dürfen 
nach der Ansicht des Institut neutrale Schiffe 
den Hafen trotz der B. anlaufen, ohne sich Ge- 
walthandlungen seitens der blockierenden Macht 
auszusetzen. In der Praxis kam es allerdings 
vor, daß auch neutrale Schiffe, welche die B. zu 
brechen suchten, saisiert, aber zurückgegeben wur- 
den, und zwar ohne Entschädigung; so in der 
Zeit vor 1850. Anders in den oben erwähnten 
neueren Fällen. 
II. Die Londoner Deklaration v. 26. 2.09 regelt 
das Seeprisenrecht, beschäftigt sich also nur mit 
der Blockade in Kriegszeiten. Da 
die rechtliche Zulässigkeit der Friedens B. streitig 
ist, wollte die Londoner Konferenz einer Ent- 
scheidung dieser Streitfrage nicht vorgreifen; es 
unterblieb daher die von einer Delegation vor- 
geschlagene Definierung des Begriffs der 
B. als spezifische Kriegsmaßregel. 
In dem folgenden soll nur von der B. in Kriegs- 
zeiten gehandelt werden. 
Die Anwendung dieser Maßregel hängt auf 
das engste mit der im Seekrieg betonten Schädi- 
gung des Handels des Gegners mit den Angehö- 
rigen neutraler Staaten zusammen. Wenngleich 
die B. in erster Reihe als Mittel fungiert, den 
Widerstand des Gegners zu brechen, so ist sie 
doch tatsächlich (in ihrer Anwendung) zugleich 
gegen das Interesse der Neutralen an der unge- 
hinderten Fortsetzung ihres friedlichen Verkehrs, 
insbesondere ihres Handelsverkehrs, mit beiden 
Kriegsteilen gerichtet. Diese Kollision der In- 
teressen der Kriegführenden und Neutralen konnte 
den Gegenstand völkerrechtlicher Regelung erst 
bilden, als in dem Neutralitätsrecht 
der rechtliche Boden geschaffen war, auf dem 
gegenseitige Rechte und Pflichten der Neutralen 
v. Stengel-Fleischmann, Wörterbuch 2. Aufl. 1. 
  
  
Blockade 
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und Kriegführenden Anerkennung gefunden hat- 
ten, die in der Tat in erster Reihe als das Mittel 
fungieren, den Zweck des Neutralitätsinstituts, 
die Verhütung von Kollisionen der Interessen 
der Neutralen und Kriegführenden, zu verwirk- 
lichen. Erst auf dem Boden des Neutralitätsrechts 
war die Möglichkeit rechtlicher Schranken der 
Anwendung der B. gegeben. Die früher rechtlich 
unbeschränkte Anwendung dieses Kriegsmittels 
führte dahin, daß die Kriegführenden den Neutra- 
len den Verkehr mit den Häfen des Gegners 
schlechthin und willkürlich verbieten konnten, 
ohne entsprechende militärische Machtmittel zur 
tatsächlichen Verhinderung des Verkehrs aufzu- 
wenden. So entstand die sog. fiktive (oder 
papierne) B. — blocus sur papier. Der richtige 
Gesichtspunkt der Behandlung dieser Materie 
kam allerdings schon in Einzelverträgen im 17. 
und 18. Jahrhundert zur Anerkennung, indem 
den Kriegführenden ein Repressivrecht gegen 
neutrale Schiffe wegen Bruchs der B. nur zuge- 
standen wurde, wenn der für blockiert erklärte 
Hafen auch tatsächlich abgesperrt war; 
allein eine allgemeine völkerrechtliche Norm dieses 
Inhalts fehlte. Die Anbahnung allgemeiner 
völkerrechtlicher Regelung des Gegenstandes ist 
erst mit der Aktion der Mächte der bewaffneten 
Neutralität vom Jahre 1780 verknüpft, die den 
Wendepunkt in der Entwicklung des Neutralitäts- 
rechts bedeutet. Der Grundsatz 1V dieses inter- 
nationalen Aktes fordert nämlich Effektivi- 
tät der B. Die bewaffnete Neutralität von 1800 
verschärfte die Voraussetzungen des Repressivrechts 
der Kriegführenden gegen den Bruch der B., 
insoferne eine Kondemnierung nur zulässig sein 
sollte, wenn das neutrale Schiff ungeachtet der 
individuellen Warnung seitens des Komman- 
danten der blockierenden Streitkräfte mit Gewalt 
oder List in den Hafen einzudringen sucht. Allein 
schon in dem folgenden Jahre wußte England 
(in einem Vertrag mit Rußland) das Erfordernis der 
Effektivität außer Wirksamkeit zu setzen, inso- 
ferne es genügen sollte, daß die Schiffe der blockie- 
renden Macht sich nur in der Nähe des 
Hafens befinden, ohne daß sie zugleich daselbst 
stationiert sein müssen. Erst in der Pariser See- 
rechtsdeklaration 1856 kam es zur kollektiven An- 
erkennung des Grundsatzes der Effektivität. 
III. Rechtlicher Charakter der Blok- 
kade. Die B. ist bezüglich ihres rechtlichen 
Charakters als eine Kriegshandlung auf- 
zufassen, deren Titel in der Kriegsnotwendigkeit 
liegt. 
5#2. Objekte der Blockade sind feindliche Häfen 
(Kriegs= oder Handelshäfen, befestigte oder nicht- 
befestigte Häfen), die feindliche Küste (im ganzen 
oder teilweise), Flußmündungen. Meerengen, 
welche die Verbindung mit einem Eigentumsmeer 
bilden. Die Blockierung der Mündung eines in- 
ternationalen Stroms kann die Verletzung der 
Verkehrsinteressen neutraler Adjazenten (im hö- 
heren Laufe des Stroms) zur Folge haben. Die 
Rücksicht auf diese Interessen dürfte die B. der 
Mündung nicht schlechthin ausschließen; diese In- 
teressen sind vielmehr hinreichend gewahrt, wenn 
den neutralen Adjazenten die Ein= und Ausfahrt 
gestattet wird. 
5 3. Voraussetzungen der Pflicht zur Respek- 
tierung der Blockade. 
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