Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Erster Band. A bis F. (1)

  
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Frau (Gemeindewahlrecht) 
  
liche Regentschaft nicht zulässig. In anderen 
Staaten ist subsidiär eine weibliche Regentschaft 
vorgesehen, indem sie entweder der Königinwitwe 
zugewiesen ist, wie in Bayern, oder der Königin- 
mutter, subsidiär der Großmutter des verstorbe- 
nen Königs väterlicherseits, wie in Württemberg, 
Oldenburg und Braunschweig [Näheres Re- 
gentschaftl. 
b) Petitionsrecht. Da die meisten Ver- 
fassungen den Staatsbürgern schlechthin das Recht 
zu Petitionen an die Volksvertretung, teilweise 
auch an die zuständigen Behörden und den Landes- 
fürsten geben, so kann man es als einen Satz ge- 
meinen deutschen Staatsrechts ansehen, daß jeder 
Staatsbürger, also auch die F., zu Petitionen zum 
wenigsten an die Volksvertretungen berechtigt ist 
IJ Landtag, Petitionsrechtl. 
c) Die Fähigkeit der Frau zur Beklei- 
dung staatlicher Aemter wird unten (& 4) 
im Zusammenhange zu besprechen sein. 
1II. Das Wahlrecht der Frau in 
der Gemeinde. Wie im Staate, so ist auch 
in der Gemeinde die F. grundsätzlich nicht mit den 
politischen Rechten ausgestattet. Der F. stehen 
(Ausnahme z. B. Sachsen-Weimar--Eisenach, wo 
die F. das Bürgerrecht erwerben kann) nicht 
diejenigen Rechte der Teilnahme an der Willens- 
bildung der Gemeinde zu, die als „Gemeinde- 
recht“, „Bürgerrecht“ usw. den vollberechtigten 
Gemeindebürger kennzeichnen: 1. Fähigkeit zur 
Uebernahme unbesoldeter Aemter in der Ge- 
meindeverwaltung und Gemeindevertretung; 
2. Wahlrecht zur Gemeindevertretung. Doch hat 
das positive Recht von diesem Grundsatze zahl- 
reiche und erhebliche Ausnahmen gemacht und 
die Rechtsentwicklung zeigt die Tendenz zu immer 
größerer Ausdehnung der den F. eingeräumten 
Rechte. Ueber die Fähigkeit der F. zur Bekleidung 
kommunaler Ehrenämter unten § 4. Das Wahl- 
recht ist ein Gebiet, auf dem besonders deutlich 
das Bedürfnis zu Tage tritt, den F., die in immer 
größerer Zahl zu selbständig erwerbenden werden, 
und die gleichen öffentlichen Lasten zu tragen ha- 
ben, wie die Männer, einen dem jener annähernd 
gleichen Einfluß auf die Verwaltung der Ge- 
meinde zu gewähren; ganz besonders erscheint es 
als eine Billigkeitsforderung der grundbesitzen- 
den 1) F. die Möglichkeit der Vertretung ihrer In- 
teressen bei allen ihren Besitz mitbetreffenden 
Fragen der Gemeindepolitik zu eröffnen. Von 
diesen Gesichtspunkten aus ist den F. in zahlrei- 
chen deutschen Gemeindcordnungen eine, wenn 
auch verschieden umfangreiche, Mitwirkung bei 
der Zusammensetzung der Gemeindevertretung, 
ein aktives Wahlrecht, zuerteilt worden, während 
ein passives Wahlrecht, das sich ja aus jenen Ge- 
sichtspunkten und im Hinblick auf das Wesen der 
Vertretung auch keineswegs als notwendig ergibt, 
ihnen nirgends zugestanden worden ist. Der Um- 
fang des den F.gegebenen aktiven Wahlrechts gestal- 
tet sich verschieden nicht nur in den einzelnen Staa- 
ten und deren Landesteilen je nach der verschie- 
denen Gestaltung des Kommunalwesens in jenen, 
sondern auch meist verschieden in Stadt und Land. 
1) Die Gemeindekommission des preuß. Abgeordneten- 
hauses hat (Mai 1910) Petitionen um Verleihung des 
selbständigen Wahlrechts an die grundbesitzenden Frauen 
der Regierung als Material überwiesen. (Herausgeber). 
  
a) Landgemeinden. Wo das Stimm- 
recht in den Gemeinden an den Grundbesitz ge- 
bunden ist, ergibt sich die Anerkennung eines 
Stimmrechtes der F. als organische Folge dieser 
Bindung. In diesen sog. Eigentumsgemeinden 
ist daher in der Regel den F. ein Stimmrecht ge- 
geben, mit Ausnahme der Landgemeinden in der 
preußischen Rheinprovinz, den Stadt- und Land- 
gemeinden in den beiden mecklenburgischen Groß- 
herzogtümern (wieder mit Ausnahme der Ge- 
meinde Grabow, Amt Wredenhagen), und in 
Elsaß-Lothringen. — In dem weitaus größten 
Teile der deutschen Landgemeinden steht demna 
den F. ein Stimmrecht zu. Sie dürfen dies aiech 
in der Regel nicht persönlich ausüben, sondern 
müssen sich eines männlichen Stellvertreters be- 
dienen: so in den preußischen Landgemeinden 
der 7 östlichen Provinzen (LEO v. 3. 7. 91 
## 41, 45, 46), Provinz Hessen-Nassau (LG0 v. 
4. 8. 97 5#5 16, 17, 21), Provinz Schleswig-Holstein 
(LGO v. 4. 7. 92 a 1), Provinz Westfalen (LGO 
v. 19. 3. 56 # 20), desgleichen in den Hohen- 
zollernschen Landen, obwohl hier der Typus der 
Eigentumsgemeinde nicht rein ausgebildet ist 
(GemO v. 2. 7. 00 FFS 16, 17). In derselben oder 
ähnlicher Weise haben die F. Stimmrecht in den 
Landgemeinden von Bayern (GempO v. 29. 4. 69 
à 15 Abs 4, 5, a 47 Abs. 4, à 170, 171), Sachsen- 
Weimar-Eisenach (Gem O v. 17. 4. 95 a 20), 
Braunschweig (LGO v. 18. 7. 92 5&& 15, 16, 23), 
Sachsen-Altenburg, Koburg (Gem-O v. 22. 2. 97 
a 67), Sachsen-Meiningen (GemO v. 16. 3. 97 
à 18), Lippe-Detmold (GemO v. 18. 4. 93 5+ 17, 
Amts Gem O v. 29. 7.97 #J2), Schaumburg-Lippe 
(LO v. 7. 4. 70 8 20), Reuß áä. L. (GemO v. 
28. 1.7 1 à 63, 48), Waldeck (GemO v. 6. 4. 88 
§ 20), Schwarzburg-Sondershausen (GemO v. 
15. 1. 76 à 20—26, 37—40), Hamburg (LG##v. 
12. 7. 71 a 12). Das Recht zu persönlicher Aus- 
übung des Stimmrechts ist den F. nur gegeben 
in der preußischen Provinz Hannover (L v. 
28. 4. 59 §§ 8 und 15), im Fürstentum Schwarz- 
burg-Rudolstadt (Gem O v. 2. 12. 86 a 23, 134, 
27 Ziff. 2) und in Lübeck (LGO v. 16. 2. 78 a 10). 
Im Landgebiet Bremen haben die F. ein Wahl- 
recht zur I. Klasse in den Gemeindeausschußwah- 
len (LGOv. 28. 7. 88 F§ 43). Im Königreich 
Sachsen können unverheiratete F. ihr Stimm- 
recht persönlich ausüben, während verheiratete 
sich durch ihre Ehemänner vertreten lassen müssen 
(Rev. LGO v. 24. 4. 73 §8 34 und 30). 
b) Städte. In der Regel haben die F. kein 
Stimmrecht. Es steht ihnen jedoch zu im rechts- 
rheinischen Bayern (GemO v. 29. 4. 69 a 15), 
in Sachsen-Weimar-Eisenach (GemO v. 17. 4. 95 
a 30), Sachsen-Meiningen (GemO v. 16. 3. 97 
à 18), Reuß ä. L. (GemO v. 28. 1. 71 a 63, 48), 
Waldeck (GemO v. 6. 4. 88 FN 20), Schwarzburg- 
Rudolstadt (Gem O v. 9. 7. 96 à 23, 39, 54, 41), 
Schwarzburg-Sondershausen (GemO v. 15. 1. 76 
a 20—26, 37—40). In den Städten dieser Län- 
der dürfen die F. ihr Stimmrecht nur durch 
männliche Vertreter ausüben. Ein Recht zu per- 
sönlicher Ausübung des Stimmrechts haben die F. 
einzig in der lübischen Stadt Travemünde (Gem-O 
v. 21. 3. 81 à 9). 
111. Wahlrecht zu den Berufs- 
vertretunge n. Dieselben Gründe, die da- 
für sprechen, der F. ein Stimmrecht bei der Wahl
	        
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