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Gemeinde (IV. Gemeindeverwaltung)
ders auf dem Gebiete der Rechtssetzung, wie be-
reits erwähnt, und ebenso auf dem der Finanz-
verwaltung ist noch an der früher allgemein be-
stehenden Vormundschaft des Staates über die
Gem festgehalten. Hier können die von den Gem
ausgehenden Willenserklärungen rechtliche Be-
deutung erst erlangen, wenn die zuständigen
Staatsorgane, die dabei im Zweifelsfall nach
eigenem pflichtgemäßen Ermessen zu entscheiden
haben, ihre Genehmigung erteilen. Aber auch,
wo die Gem zu ganz selbständigem Handeln be-
fähigt sind, unterstehen sie, da sie zur Mitarbeit
an der öffentlichen Verwaltung berufen sind,
einer ständigen Aufsicht des Staates, die in den
Fällen, wo die Gemeinden oder einzelne ihrer
Organe zur Führung von Geschäften herange-
zogen sind, die der Staat sonst als seine eigenen
ansieht, derjenigen Aufsichtsgewalt gleichkommt,
welche die höheren staatlichen Organe gegenüber
ihren untergebenen staatlichen Amtsstellen aus-
üben. Hier ist die Staatsbehörde in Wahrheit die
vorgesetzte Behörde, deren Befehlen die unter-
geordnete Gem wie jede andere staatliche Unter-
instanz Folge zu leisten hat. Dies gilt insbesondere
auch für das Gebiet der Pol Verwaltung (Preu-
ßeen G v. 11. 3. 50 f 1; V v. 20. 9. 67 5 1: Bayern
Gem) rechtsrh. a 156, pfälz. GemO a 88;
Sachsen St O §101; LGO #74; Baden GemO
54, 180, St O 54, 146; Hessen StO # 55; L6O
53; Elsaß-Lothringen GemO 1##8 16, 72). Etwas
freier steht die Gem auf dem Gebiete der Pol Ver-
waltung nur in Württemberg; aber auch hier
können die polizeilichen Anordnungen der.Gem
nicht nur wegen Verstoßes gegen die gesetzmäßige
Anordnung einer höheren Behörde, sondern auch
wegen Gefährdung des öffentlichen Wohles oder
Verletzung der berechtigten Interessen einzelner
nach Anhörung der Gem Behörde von der Staats-
verwaltung aufgehoben werden (W. GemO #19#4;
vgl. ## 195 und 196, die der Gem unter Um-
ständen ein Klagerecht und den interessierten Pri-
vaten unter allen Umständen ein Beschwerde-
recht einräumen).
Die allgemeine Staatsaufsicht
über die Gem hinsichtlich der Verwaltung der so-
genannten eigentlichen Gem Angelegenhei-
ten wird in den einzelnen deutschen Staaten von
folgenden Behörden geführt: In Preu-
ßen über die Städte in erster Instanz vom
Reg Präsidenten, der sich der Landräte als auf-
sichtsführender Organe bedienen, ihnen aber keine
selbständige Aufsichtsführung übertragen kann, in
höherer und letzter Instanz durch den Ober-
präsidenten; über die Land Gem in erster Instanz
vom Landrat als dem Vorsitzenden des Kreisaus-
schusses, in zweiter und letzter Instanz von dem
Reg Präsidenten; für Berlin tritt an die Stelle
des Reg Präsidenten der Oberpräsident und an
die Stelle des letzteren der Minister des Innern;
dieser ist auch für die hohenzollernschen Lande
zuständig. Die vorher genannten Beamten sind
aber bei einer Reihe von Beschlüssen an die Mit-
wirkung des Kreisausschusses, des Bezirksaus-
schusses oder des Provinzialrates gebunden
(ZustE# 5I5 7 ff, 24 ff; St O Hess. Nass. 9 87: Hohenz.
GemO # 109 Abs 2). Hinsichtlich der Polizeiver=
waltung unterstehen die nicht einen eigenen Kreis
bildenden Städte, vorbehaltlich gewisser für die
Städte mit mehr als 10 000 Einwohnern gelten-
den Sonderbestimmungen, zunächst dem Landrat
(Kr O für die östl. Prov. § 77, Westf. 5 32, Rh. Pr.
*32, Hess.Nass. # 26, Schl. Holst. 5 69, Hann. 5 27).
In Bayern unterstehen die sogen. unmittel-
baren Städte in erster Instanz der Aufsicht der
Kreisregierung, die übrigen Gem derjenigen der
Bezirksämter (Gem rechtsrh. a 154, 155, pfälz.
à 87); in Sachsen ist für die Städte der Kreis-
hauptmann, für die Land Gem der Amtshaupt-
mann zuständig, jedoch unter weitgehender Mit-
wirkung des Kreis= bezw. Bezirksausschusses (StO
z 132, LGO 8 94); in Württemberg wird
die Staatsaufsicht unter Oberaufsicht des MinInn
in den großen und mittleren Städten durch die
Kreisregierung, in den übrigen Gem zunächst
durch das Oberamt und in besonderen gesetzlich
bestimmten Fällen durch den Bezirksrat ausgeübt
(GemO a 185); die gemeindliche Pol Verwaltung
untersteht im Zweifelsfalle der Aufsicht des Ober-
amtes, in Stuttgart der Stadtdirektion (Gem-O
à 194 Abs 1). In Baden liegt die Führung der
Aufsicht über die Gem beim Bezirksamt, das in
allen wichtigen Fällen den Bezirksrat zuziehen
muß; außerdem hat sich als Beauftragter des
Min Inn auch der Landeskommissär mit der Be-
aussichtigung der Gem zu befassen (Verw v.
5. 10. 63 53§6, 22; V v. 12.7. 64 (6). In Hessen
ist das Kreisamt zuständig unter Mitwirkung des
Kreisausschusses (StO a 117f, LGO a 92f.,
Kr O a 77), in Elsaß-Lothringen endlich
in den Gem von 25 000 und mehr Einwohnern
sowie in den ihnen gleichgestellten Gem der Be-
zirkspräsident, in den übrigen der Kreisdirektor
(GemO 1## 71fffh.
Inhalt der Staatsaufsicht. Die
Aufsicht des Staates erstreckt sich über die gesamte
Verwlätigkeit der Gem; die Staatsbehörden
haben deshalb das Recht, sich von der ganzen Tä-
tigkeit der Gem Kenntnis zu verschaffen, sei es
durch Einfordern von Auskünften oder durch
Aktenerhebung, sei es durch unmittelbare Ein-
sichtnahme (Ortsbereisungen). Das bereits er-
wähnte Genehmigungsrecht gegenüber
einzelnen Handlungen der Gem greift in einigen
Ländern insbesondere auch bezüglich der Aufstel-
lung des Voranschlages und der Verbescheidung
der Rechnungen Platz, so in Bayern bezügl. der
Gem, die nicht zu den unmittelbaren Städten ge-
hören (bayr. Gem) rechtsrh. a 136, pfälz. a 69;
in Baden bezügl. aller Gem unter 4000 Ein-
wohnern (Gem-O s§# 165, 182, St O # 158), in
Elsaß-Lothringen bezügl. aller Gem unter 25 000
Einwohner, während in Hessen die Aufsichtsbe-
hörde allgemein die Voranschläge genehmigt, und
die Rechnung von der Oberrechnungskammer ge-
prüft wird. (LO a 71, 72, 77, St O a 83, 89).
In Württemberg, wie auch in den badischen Gem
mit 4000 und mehr Einwohnern ist der Voran-
schlag vor seinem Vollzug der Aufsichtsbehörde
vorzulegen, die innerhalb einer bestimmten Frist
ihr Aufsichtsrecht geltend machen und eventuell
den Vollzug aufhalten kann; ebenso ist die Rech-
nung nach Abhör durch die Gem Kollegien der
Staatsbehörde einzusenden (W. GemO a #15,
137; Bad. Gem O §§ 165, 183, St O #§ 159). Auch
in den norddeutschen Gem wird die Ausstellung
des Voranschlags unter Umständen zu einem
genehmigungspflichtigen Akt, so in Preußen all-
gemein, wenn die Gem Zuschläge zur Einkommen-