Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Gebühren (Allgemeines) 5 
  
Lizenzen, Dispensationen auch nicht zutreffend 
wäre“. Wagner kommt folgerichtig aus seiner 
Begriffsbestimmung zu dem Schluß: „Gibt eine 
öffentliche Einrichtung, an welche sich G. Einnah- 
men knüpfen, einen Ueberschuß über den, 
nach richtigen wirtschaftlichen Grundsätzen berech- 
neten, Kostenaufwand hinaus, so fällt dieser 
Ueberschuß unter die Kategorie der eigent- 
lichen Besteuerung". Wenn also beispiels- 
weise die Post in einem Staate Ueberschüsse er- 
zielt, sind Porto, Personengeld usw. teils G., 
teils Steuer! Diese Folgerung zeigt, daß sich das 
quantitative Moment nicht zum Be- 
griffsmerkmal eignet, mittelst dessen die 
öffentlichen Einnahmen für ihre weitere wissen- 
schaftliche Behandlung gruppiert werden sollen. 
— Der Fehler in der Begriffsbestimmung bei 
Wagner und der ihm folgenden herrschenden 
Lehre liegt aber noch tiefer. Er beruht letztlich in 
der Auffassung der G. als „fspezielles Entgelt“ 
und der Steuern als „generelles Entgelt“. Der 
Begriff des Entgelts gehört dem privaten Güter- 
verkehr mit Leistung und Gegenleistung, nicht 
aber dem System der öffentlichen Wirtschaft an, 
die in der Erfüllung von Staatsaufgaben durch- 
geführt wird und zu der die erforderlichen Mittel 
auf Grund der Finanzhoheit durch Steuern und G. 
bereit gestellt werden. Bezeichnet man die Ab- 
gaben als Entgelt, so bestimmt man dadurch nicht 
ihren Begriff, sondern man versucht sic wirtschaft- 
lich zu erklären und zwar durch Heranziehung 
von Vorgängen aus dem privatwirtschaftlichen 
System, welche dem Vorstellungskreise der meisten 
Menschen näher liegen als die Erscheinungen des 
auf gänzlich anderer rechtlicher und wirtschaftlicher 
Grundlage sich abspielenden Staatslebens. 
Ob die G. in die Kasse des öffentlichen Ver- 
bandes fließt, oder ob sie einem Beamten — als 
Teil seines Diensteinkommens — zufließt (Die- 
ner G., Sporteln), ist für den Begriff der G. 
gleichgültig. Die Diener G. nahmen früher einen 
breiteren Raum ein, als heute. 
Die öffentlichen Leistungen, für welche G. er- 
hoben werden, sind Amtshandlungen 
oder Veranstaltungen (ogl. unten 4). 
Manche G. werden als Beiträge bezeichnet. 
Dem Sprachgebrauch entspricht dieser Ausdruck, 
wenn eine dauernde Beziehung zu einer öffent- 
lichen Veranstaltung vorliegt, mag es sich um ein- 
malige Beiträge zu den Herstellungskosten oder 
um dauernde zu den fortlaufenden Unterhaltungs- 
kosten handeln (z. B. Anliegerbeiträge zum Bau 
und zur Unterhaltung einer Straße; Deich- 
kassenbeiträge; Beiträge zu öffentlichen Wasser- 
genossenschaften). [ Gemeindeabgaben #51 
# 2. Gebührenpolitik. Zu den öffentlichen 
Lasten sollen die Staatsbürger nach ihrer Lei- 
stungsfähigkeit herangezogen werden. Soweit 
aber durch die öffentliche Tätigkeit die Interessen 
einzelner Personen oder Klassen besonders ge- 
fördert werden oder soweit den öffentlichen Ver- 
bänden aus ihrem Verhalten oder ihrem Wirt- 
schaftsbetriebe besondere Kosten erwachsen, er- 
scheint es berechtigt, diese Kreise vorzubelasten, so- 
fern nicht andere Erwägungen dawider sprechen. 
Die Vorbelastung kann innerhalb des Steuer- 
systems, z. B. durch Grund= und Gewerbesteuern 
neben allgemeinen Einkommen-- und Vermögens- 
steuern, oder durch G. erfolgen. 
  
  
  
Weil die G. ein Mittel zur Vorbelastung mit 
Abgaben sind, hat man die G. Politik ausschließlich 
unter den Gesichtspunkten der Lastenvertcilung 
im Verhältnis zum Interesse oder zur Kosten- 
verursachung aufbauen wollen. Tatsächlich hat 
sich aber die G. Politik auf derartige Erwägungen 
nicht beschränkt, sondern auch die Leistungsfähig- 
keit der Interessenten sowie andere Gesichts- 
punkte, welche sich aus der öffentlichen Tätigkeit 
ergeben, berücksichtigt. Es sei beispielsweise auf 
die Aufhebung des Schulgeldes in manchen 
Staaten verwiesen. Muß die unterliegende Par- 
tei die Gerichtskosten bezahlen und sind diese nach 
dem Wert des Streitgegenstandes abgestuft, so 
stehen diese G. weder im Verhältnis zu dem Vor- 
teil, den der G. Pflichtige von der Tätigkeit des 
Gerichts hat, noch im Verhältnis zu den Kosten, 
welche er durch sein rechtswidriges Verhalten dem 
Staate verursacht hat. Da die G. öffentliche Ab- 
gaben sind, sind für die Tarifierung nicht Erwä- 
gungen ausschlaggebend, welche ihrer Auffassung 
als „spezielle Entgelte“ entsprechen und dem 
Gesichtskreise der Privatwirtschaften angehören. 
Vielmehr sind bei ihnen, ebenso wie bei den 
Steuern, die finanzpolitischen Gesichtspunkte 
(Höhe des Finanzbedarfs und der Steuerlast; 
Ausbildung der Vorbelastung nach Interesse und 
Kostenverursachung innerhalb des Steuersystems), 
die volkswirtschaftlichen Wirkungen und die For- 
derungen einer gerechten Lastenverteilung zu be- 
rücksichtigen und daneben auch die Interessen 
des betreffenden Zweiges der öffentlichen Tätig- 
keit zu wahren. 
Je weniger bei einem Dienstzweige neben den 
Wirkungen für die Gesamtheit oder für die öffent- 
liche Organisation als solche die Förderung ein- 
zelner Privatinteressen hervortritt, desto mehr 
rechtfertigt es sich, von einer G. Erhebung über- 
haupt Abstand zu nehmen oder die G. so niedrig 
zu bemessen, daß sie nur einen mäßigen Beitrag 
zu den Kosten des betreffenden Dienstzweiges 
aufbringen. Wo dagegen die Privatinteressen 
größere Bedeutung haben, kann, sofern es sich 
nicht um die wirtschaftlich Schwächsten handolt, 
das G.Aufkommen bis zur vollen Kostendeckung 
und darüber hinaus gesteigert werden. Nur darf 
durch die Höhe der G. die Erreichung des mit der 
öffentlichen Tätigkeit verfolgten Zwecks nicht ge- 
fährdet werden. Dieser Gesichtspunkt muß nicht 
nur bei der Bemessung des Gesamt aufkom- 
mens der G. eines Dienstzweiges, sondern auch 
bei ihrer Tarifsierung im Einzelnen durch- 
geführt werden. 
Die gleiche G. für alle gebührenpflichtigen Vor- 
gänge eines Dienstzweiges (Einheits G.) ist nur 
erträglich, wenn sie sehr niedrig ist. Innerhalb 
eines feiner ausgebildeten G. Systems kann die 
gleiche Belastung der großen Masse der gebühren- 
pflichtigen Leistungen den Tarif vereinfachen und 
am Platze sein, wenn die differenzielle Behand- 
lung der Einzcelfälle dic Behörde überlasten würde, 
den Privaten aber nicht angesonnen werden 
konnte (z. B. Zehnpfennigporto). Sollen die G. 
erheblichere Erträge liefern, so werden sie sich in 
der Regel — ebenso wic es bei den Steuern der 
Fall ist — den Besonderheiten der einzelnen 
Vorgänge anschmiegen müssen. Der Tarif kann 
nach den Kosten abgestuft werden, welche der ein- 
zelne Fall verursacht; das geschiecht nach dem
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.