Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
Gewerbe (II. Gewerbliche Anlagen) 
établissements nach dem Gesichtspunkte statt, 
ob sie dangereux oder insalubres oder nur 
incommodes waren. Nach dem Muster dieses 
Dekrets hat die Preuß. Allg. GewO v. 17. 1. 45 
eine Regelung eintreten lassen, welche die Grund- 
lage der in der RGewO getroffenen Ordnung 
bildet. 
Nach dem der GewO zugrunde liegenden 
Prinzipe der Gewerbefreiheit kann jede gewerb- 
liche Anlage ohne behördliche Erlaubnis errichtet 
und betrieben werden, sofern sie nicht ausdrücklich 
durch Gesetz einer Genehmigungspflicht unter- 
worfen wird. Andererseits besteht aber auch 
gegenüber gewissen gewerblichen Anlagen, auch 
wenn sie genehmigt sind, unter bestimmten Vor- 
aussetzungen ein behördliches Recht auf Unter- 
sagung des Betriebs, wie insbesondere gegenüber 
geräuschvollen Anlagen. 
2. Geräuschvolle gewerbliche Aulagen. 
Soweit diese nicht genehmigungspflichtig erklärt 
sind (§ 4), muß ihre Errichtung oder Verlegung 
der Ortspolizeibehörde angezeigt werden, sofern 
ihr Betrieb mit ungewöhnlichem Ge- 
räusche verbunden ist. Diese Anzeigepflicht be- 
steht unabhängig von der Anzeigepflicht nach 
&514 GewO. Die Ortspolizeibehörde hat alsdann, 
wenn in der Nähe der gewählten Betriebsstätte 
Kirchen, Schulen oder andere öffentliche 
Gebäude, öffentliche oder private Krankenhäuser 
oder Heilanstalten vorhanden sind, bei der höheren 
Verw Behörde (Preußen Bezirksausschuß, 
Bayern Distriktsverwaltungsbehörde bezw. 
Lokalbaukommission in München, Sachsen 
Kreishauptmannschaft, Württemberg Kreis- 
regierung, Baden Bezirksrat, Hessen Kreis- 
ausschuß, Elsaß--Lothringen Biezirks- 
präsident) eine Entscheidung darüber einzuholen, 
ob die Ausübung des Gewerbes an der gewählten 
Betriebsstätte zu untersagen oder nur unter Be- 
dingungen zu gestatten sei; doch besteht dieses 
Recht nur dann, wenn die bestimmungsmäßige 
Benutzung derartiger Gebäude durch den Gewerbe- 
betrieb auf dieser Stelle eine erhebliche Störung 
erleiden würde, und wenn das dem betreffenden 
Zwecke gewidmete Gebäude schon zur Zeit der 
Inbetriebsetzung der Anlage bestanden hat (5 27 
GewO). Für Zuwiderhandlungen gegenüber der 
Untersagung oder den auferlegten Bedingungen 
besteht allerdings keine Strafvorschrift, dagegen 
wird polizeilich je nach dem Landespolizeirechte 
dagegen eingeschritten werden können. Zivil- 
rechtlich besteht das Klagerecht des Nachbarn. 
5s# 3. Untersagung des Betriebs anderer be- 
stehender gewerblicher Anlagen. Gewerbliche 
Anlagen, ohne Unterschied ob sie genehmigungs- 
pflichtig und genehmigt sind oder ob sie keiner 
Genehmigung bedürfen, sollen nicht entgegen den 
allgemeinen öffentlichen Interessen betrieben 
werden. Wofern sie für das Gemeinwohl Nach- 
teile und Gefahren, nicht etwa nur Be- 
lästigungen, erheblicherer Art mit sich führen, 
kann ihre fernere Benutzung zu jeder Zeit, also 
auch wenn der Betrieb schon seit langer Zeit statt- 
findet, untersagt werden. Die Nachbarn oder 
sonstige dritte Personen haben keinen Rechtsan- 
spruch auf den Erlaß des Verbots; dieses hängt 
lediglich von dem pflichtmäßigen Ermessen der 
Bezirks- 
höheren VerwBehörde (Preußen 
ausschuß, Bayern Kreisregierung K. d. J., 
  
  
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Sachsen Kreishauptmannschaft unter Mitwir- 
kung des Kreisausschusses, Württemberg 
Kreisregierung, Baden Bezirksrat, Hessen 
Provinzialausschuß, Elsaß--Lothringen 
Bezirkspräsident) ab. Doch kann auch diese die 
weitere Benutzung nur unter der Voraussetzung 
untersagen, daß dem Besitzer für den erweislichen 
Schaden Ersatz geleistet wird. Ueber die Höhe 
dieser Entschädigung wird, wenn eine Einigung 
nicht zustande kommt, im Rechtsweg entschieden. 
Die Person des Ersatzpflichtigen ist im Gesetze 
nicht bestimmt; in Betracht werden diejenigen 
Korporationen kommen, von welchen durch die 
Untersagung die ihnen drohenden Nachteile und 
Gefahren abgewendet werden sollen. Gegen die 
untersagende Verfügung ist der Rekurs zulässig, 
für welchen die Vorschriften der §§s 20, 21 GewO 
maßgebend sind. In Preußen geht der Re- 
kurs an den Min f. H. u. G., in Bayern, frei- 
lich nicht ohne weiteres, an den Verwerichtshof, 
in Sachsen, Württemberg, Baden 
und Hessen an den MinInn, in Elsaß- 
Lothringen an den Kaiserlichen Rat (§ 51 
GewyO). 
Ohne Rücksicht auf etwa drohende Nachteile und 
Gefahren kann durch die Landesgesetzgebung die 
fernere Benutzung bestehender und die Anlage 
neuer Privatschlächtereien an solchen 
Orten, für welche öffentliche Schlachthäuser (/1I# 
in genügendem Umffange vorhanden sind, unter- 
sagt werden. In dieser Beziehung trifft für Preu- 
ßfen das G v. 18. 3. 68 (GS 277) betr. Errich- 
tung öffentlicher Schlachthäuser, für Bayern 
à 145 Z. 2 des Pol StB von 1871, für Sach- 
sen das G v. 1. 7. 76 betr. die öffentlichen 
Schlachthäuser, für Württemberg à 29 
PolSteB, für Elsaß--Lothringen die 
Ordonn. v. 15. 4. 38 betr. die öff. und gemein- 
samen Schlachthäuser Bestimmung. 
Nach §& 11 G über Telegraphenwesen v. 6. 4. 92 
(RuGl 467) können unbefugt errichtete oder be- 
triebene Telephon= und Telegraphen- 
anlagen außer Betrieb gesetzt werden. 
### 4. Die genehmigungspflichtigen Aulagen. 
1. Die Errichtung solcher gewerblichen Anlagen, 
welche durch die örtliche Lage oder die Beschaffen- 
heit der Betriebsstätte für die Besitzer oder Be- 
wohner der benachbarten Grundstücke oder für 
das Publikum überhaupt erhebliche Nachteile, 
Gefahren oder Boelästigungen herbeiführen kön- 
nen, bedarf ohne Rücksicht darauf, durch wen das 
Gewerbe betrieben werden soll, der behördlichen 
Genehmigung. Welche Anlagen von diesem Ge- 
sichtspunkt als genehmigungspflichtig erscheinen, 
ist vom Gesetzgeber selbst bestimmt. Das Gesetz 
hat ein Verzcich nis dieser Anlagen aufge- 
stellt, dem Bundesrat aber vorbehaltlich der Ge- 
nehmigung des nächstfolgenden Reichstags über- 
lassen, eine Aenderung und Ergänzung des Ver- 
zeichnisses vorzunehmen, je nachdem die Voraus- 
setzungen, unter welchen er die Genehmigungs- 
pflicht eingeführt hat, eintreten oder wegfallen. 
Gemäß dem hiernach wiederholt ergänzten Ver- 
zeichnisse sind die nachstehenden gewerblichen An- 
lagen genehmigungspflichtig (s 16 Gew)j: 
Schießpulverfabriken 1), Anlagen zur Feuerwer- 
kerei 1) und zur Bereitung von Zündstoffen aller 
  
1) Val. Anmerkung auf S. 250.
	        
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